Kolumne Flimmern und Rauschen: Eifrig trommelt die „Bild“
Die „Bild“ wirbt gerne für Männer wie Maaßen und Merz – und schweigt, wenn sie abtreten müssen. Das ist alles andere als ungefährlich.
H eute muss mal wieder ein kurzer, besorgter Blick auf unsere KollegInnen von Bild erlaubt sein. Es ist nie schön, Dinosauriern beim Sterben zuzuschauen. Aber was Julian Reichelt und seine Truppen an politischer Wetterfahnen-Dreherei an den Tag legen, macht echt betroffen.
Noch vor ein paar Wochen war Hans-Georg Maaßen der Mann, der als Bollwerk die Deutschen vor Terror und Gefahr schützte. Man werde sich schon noch umgucken, wenn der wegmüsse, so der Generalbass im knietief-rechtskonservativen Sumpf. Dass hier linksradikale Elemente der SPD gegen den kernigen Verfassungsschützer Maaßen üble Komplotte schmiedeten, hätte auch von Julian Reichelt sein können.
Jetzt ist Maaßen also tatsächlich weg, und was macht Bild? Gar nichts, knapper Beitrag, Tagesgeschäft und einen Kommentar zur – ähm: Rentenerhöhung. Die passt natürlich auch besser zum ZDF unter den Zeitungen als weiteres Trommeln für einen Unhaltbaren. Getrommelt wird jetzt einfach für Friedrich Merz.
Diese mäßig subtile Art des politischen Protagonisten-Hoppings (PPH) quittiert die LeserInnenschaft nun seit Reichelts Kür zum Chef vons Janze mit anhaltendem Abgang. Da hat’s auch nichts genützt, dass Bild die Gesamtauflage seit 2017 nur noch gemeinsam mit der Berliner Boulevardschwester B.Z. (die übrigens zeigt, wie moderner, regionaler Boulevard geht) und dem neuen Sportableger ausweist. Der Trend geht stramm nach unten und im Gegensatz zum Springer-Paternoster ist die Durchfahrt der Hölle alles andere als ungefährlich
Probleme mit Ausländern
Reichelt schert das wenig, jetzt eben Merz: „Hätte es mit Merz die AfD nie gegeben“, fragsuggeriert Bild und bemüht eine Rede von vor über 18 (!) Jahren, in der Merz feststellte: „Wir haben Probleme in Deutschland mit Ausländern“, und stützt die These vermeintlich mit Halbsätzen diverser Wissenschaftler, die weiter hinten im Text dann durchaus auch sagen dürfen, dass das „reine Spekulation“ ist.
Nun hat es bei der Bild ja mal einen stellvertretenden Chefredakteur namens Nikolaus Fest gegeben, der bis 2014 für „Sonderaufgaben“ zuständig war. Die bestanden meist darin, dass Fest mit der bei ihm eingebaut-blasierten Arroganz die Bild auf Podien und Kongressen gegen ihre Kritiker verteidigen und kräftig austeilen durfte. (Heute muss Julian Reichelt ja bekanntermaßen selber zur „Goldenen Kartoffel“ schlappen.)
Fest, der in seinem Blog schon mal Sätze wie „Wir riefen Gastarbeiter, bekamen aber Gesindel“ schreibt, ist heute nicht mehr bei der Bild. Sondern bei der AfD, für die er sich vor knapp zwei Wochen auf einem Podium mit ZDF-Chefredakteur Peter Frey und „tagesschau“-Chef Kai Gniffke hauen durfte. Was uns gemäß der Reichelt’schen Logik umgehend zur Frage bringt: Hätte es am Ende ohne Bild die AfD auch nicht …
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer