piwik no script img

Kolumne Die eine FrageAlle gegen die Grünen

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Jenseits der Schnapp­atmungsempörung: Bleibt die neu positionierte Partei von Baerbock und Habeck die Nummer zwei im Land?

Ein Jahr im Amt: Die Grünen-Spitze aus Annalena Baerbock und Robert Habeck Foto: dpa

E s gibt ein großes Ziel für 2019, das alle anderen demokratischen Parteien eint: die Grünen wieder in ihre kleine Ecke der angeblich moralisch daherschwätzenden Besserwisser zurückzujagen.

Die Frage lautet: Wird das gelingen – und was tun die Grünen selbst dafür oder dagegen?

2011 setzten sie bekanntlich den legendären Trittin-Plan um, mit dem es gelang, Umfragenzuspruch von 30 Prozent bis zur Bundestagswahl auf 8,4 Prozent zu begradigen.

Und damit zur Außenwelt. Bekanntlich werden die Grünen seit vielen Jahren in einer medialen Zwickmühle hin- und hergejagt. Entweder sind sie radikal weltfremd. Oder opportunistisch machtgeil. Nun hat die politische Konkurrenz für 2019 eine neue Zwickmühle aufgestellt: Sei ja schön und gut, wie der wirklich nette Robert Habeck in seiner intellektuell-volksnahen Art die richtigen Fragen aufgeworfen habe. Aber jetzt müsse er endlich Antworten liefern.

taz am Wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Und? Behält er die erfolgreiche Nachdenklichkeit bei, dann wird er als Schönredner attackiert. Liefert er aber auch nur gemäßigte Zukunftsentwürfe, dann geht er voll in die Falle, denn dann werden sie ihm um die Ohren gehauen, dass es nur so kracht.

Der Tenor wird sein: Wussten wir es doch, dass hinter dem charmanten Lächeln und der empathischen Zuwendung der Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Habeck die alten und kalten Erzieherinnen und Verbieter stecken, die uns unsere Autos wegnehmen wollen, unser Industriefleisch, unsere Verkehrstoten und überhaupt.

Viele Sachen, die grundsätzlich wünschenswert und richtig sind, verhindern in der realen Welt jeden – auch kulturellen – Fortschritt. Sie taugen nur dazu, die Luft mit nichtsnutziger Empörung über die jeweils anderen zu verpesten und Aufmerksamkeits-Slots zu blockieren.

Was die neuen, postideologischen Wähler an ihren Grünen schätzen, das ist nicht billige Schnapp­atmungsempörung über Porschefahrer, das sind die Fragen, das ist die Kultur des zugewandten Sprechens und Zuhörens, das ist das Alleinstellungsmerkmal eines innerparteilich unumstrittenen liberalen Europäertums. Im Grunde ideale Voraussetzungen für ein Jahr mit Wahlen in der EU und den ostdeutschen Ländern.

Die Aufgabe einer Orientierungspartei der liberalen Europäer ist es nicht, Spaltung zu bewahren und politisch zu bewirtschaften wie früher. Der Job ist es, angesichts der neuen Spaltungen, Allianzen zu schließen, um den demokratischen und europäischen Laden zusammenzuhalten und im Wachstum die Kraft zur Bewegung zu erschließen. Hoffend, dass es doch noch hin geht zu einer radikal realistischen Politik im ökologischen Zeit­alter, in dem wir nun mal sind – also einer postfossilen Wirtschaftspolitik, die gleichzeitig Gerechtigkeits- und Friedenspolitik wäre.

Der Job ist es, Allianzen zu schließen, um den demokratischen und europäischen Laden zusammenzuhalten

Aber haben die Partei und die Bundestagsfraktion wirklich verstanden, dass die Grünen mit dem ersten richtigen politischen Frau-Mann-Duo Baerbock und Habeck in dieser neuen Phase sind, nach Zählart des Parteiintellektuellen Bütikofer ist das die dritte, die Kretschmann-Phase, die Partei für das große Ganze?

Ich habe darüber mit diversen Grünen gesprochen. Kein einziger sagte: Ja, er sei sicher. Viele haben auf Habeck gewartet und brennen für das Neue. Andere sehen und schätzen zwar den großen Erfolg, aber so ganz verstanden und kulturell angenommen haben sie den Paradigmenwechsel nicht.

Kann man sich auf die Radikalität dieses Marsches in das Herz der Gesellschaft einlassen, wenn man es viele Jahre für das Herz der Finsternis gehalten hat? Einfach wird das nicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Bin ein wenig anderer Meinung. Das Überleben der Grünen, fast egal, wer gerade an der Spitze steht, ist so lange gesichert, wie andere Parteien so realitätsfern und stümperhaft die Zukunft betrachten. Nur ein paar Stichworte: Klimawandel, Braunkohle, Diesel, Meeresverschmutzung, wo CDU und SPD keinen Millimeter vorwärtskommen, da sie entweder wegen ihrer schweren und sperrigen Wählerrucksäcke nicht bewegungsfähig sind, oder einfach nur 'nach mir die Sintflut' im Kopf haben. Die Grünen haben es gut: Sie brauchen nichts zu tun. CDU und SPD sind die Lebensversicherung für die Grünen.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Erst jetzt gesehen:

    da hat offenbar noch jemand eine Rechnung mit dem Göttinger Jürgen offen??? Aber deshalb zu unsauberen Mitteln greifen? Na, na!

    2011 war bekanntlich keine Wahl zum Bundestag, sondern erst 2013. Und ich erinnere mich an damalige Wahlanalysen, die das Ergebnis der Grünen unter anderem auf die hirnrissige Forderung von Renate Künast (die ich ansonsten sehr schätze) nach einem VEGGIE DAY



    zurückführten.

    (Gerne bekenne ich an dieser Stelle, dass diese Bewertung nicht faktengestützt ist, sondern aus dem subjektiven Gehirnschmalz herausgepult.)

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Ich reite mal mit fremdem Arsch durch's Feuer: Beim "Herz der Gesellschaft" wäre ich in der Rolle des Autors etwas vorsichtiger. Ein Herz schlägt, es steht - auch sinnbildlich - für gewisse Werte und Attribute. Motor oder Maschinenraum wären für mich passender.

    Wo soll denn dieses Herz in D schlagen, Herr Unfried? In der Symbolik? In Ersatzhandlungen? Im Andenken der unveränderbaren Vergangenheit? Bei gleichzeitigem Verzicht auf Vergleichbares in Gegenwart und Zukunft (soziale Frage, Klimawandel et. al.)?

    Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Das aber sehr sicher.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Schön geschrieben, doch - doch.



    Ich glaube (ja ja, ich weiß: Der Glaube!), daß die beiden Grünen-Shootingstars nicht liefern. In politischer Verantwortung zeigten die Grünen bisher eher mäßige Leistungen und wenig Aus- und Aufbau. Und aktuell eigentlich nur Gedankenspiele.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @97088 (Profil gelöscht):

      Auch Politik hat (wie Börse und Wirtschaft) viel mit Glauben zu tun.

      Allerdings scheitert dieser Glaube oft an der harten Realität. Gründerväter und -mütter der Grünen stellten einige der richtigen Fragen und waren deshalb Wegbereiter der Anti-AKW- und der Friedensbewegung. Vergleichbares sehe ich heute nicht ansatzweise.

      Den Grünen der JETZT-Zeit wird die Aufgabe zufallen, alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen.

      Wer damit zufrieden ist ...

  • Ja & Zisch - Mailtütenfrisch - ahnt

    “PU schwant,



    dass die Fata morgant.“

    • @Lowandorder:

      Na - Si’cher dat. Da mähtste sofix nix^¡^



      Normal.

      Aber - wenn&falls sei cold turkey california & silicon valley - mal abklingt



      Gellewelle - verschwinden auch die



      Fanta more & gazman. Newahr. PU.

      Ha no. Normal - Schonn. Gellewelle.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Moinsen.

        Cold turkey ist gut. Nach einem charity-Besuch in Hahn Area 1968 an Thanksgiving hat sich bei mir als amerikanisches Motto festgesetzt: 'Hering ist gut. Schokoladensauce ist gut. Wie gut muss erst Hering MIT Schokoladensauce sein?' (Wenn ich nur an die Farben denke, wird mir speiübel ... babyrosa, mintgrün ...)

        But - by the way: würden Sie einem Menschen vom flachen Lande den Futur2 Hinweis übersetzen? Meine "Kuppel" (schönes Bild vom WE, chapaeau!) ist noch nicht auf Betriebstemperatur.

        De ahl Hessebub.

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Hola! INDEED - That’s true!;))

          have a look at - his PlayStation - di taz



          www.taz.de/!p5099/



          SOWASVONVERZICHTBAR



          www.taz.de/!166608/



          LINDNER IN EINEM WORT



          (aka “der alte Blödmann“ his Perle!;))

          kurz —-Danke für denn assist - AU TOR!



          (hier mal - a weng franzöösisch;)servíce

          • 7G
            76530 (Profil gelöscht)
            @Lowandorder:

            Thanks a lot.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...ja wenn sie uns das "Industriefleisch" doch wegnehmen würden, aber soweit kommen Bündnis90/Die Grünen doch gar nicht. Spätestens bei Koalitionsverhandlungen werden alle (wirklich grünen) Vorsätze über Bord geworfen, mit der Begründung, zum Regieren braucht's halt 'Kompromisse'.

  • Na bitte - Hatte ich‘s mir doch gleich gedacht - wa*¡*

    Ulrich Schultes - Differently Dreamteam - War nur das Anfütterbetthupferl di taz. Woll.



    Nö. Den Bayernkurier Immergriien der ehrenwerten taz-Gesellschaft. Newahr.



    Ha no. Dess liefert unser aller Mondfahrer von de Au&Tor persönlich ab. Normal.

    & Däh! Schnackeldidackel - Pruuuusschttt - Ah Geh! - Wisch & PU^!^



    “Mange la soupe de flädle le futur2 brillant^¡^“ Gellewelle^¡^

    kurz - Schonn Schöner - am Verlaßensten.

    Na Mahlzeit