Kolumne Die Kriegsreporterin: Jeder Schwanz ist einzigartig
Die "Vogue" im Dänischen Knigshaus, Bildungsfernsehen im Kika und Springers geschickte Inszenierung als Verfolgter.
H alli-hallo, taz-Medienredaktion!
Nachdem ich mein Köpfchen noch mal zur Ruhe gebettet habe, bin ich nun wieder da, bumsfidel und voller Elan!
Voller Anteilnahmen wird der geneigte Leser die frohe Kunde aus dem dänischen Königshause vernommen haben, dass dort zwei Babys von Prinzessin Mary in die Welt hinausgeworfen wurden. Wer mehr über die unglaublich glückliche Ehe dieses unglaublich lebensnahen Kronenpaars wissen möchte, dem sei die jüngste Ausgabe der Vogue empfohlen, in der wir erfahren, im neuen Wohnhaus des Paares rieche es nach "Preußischer Kiefer".
SILKE BURMESTER berichtet für die taz von der Medienfront.
Wir stellen uns also vor, wie der Autor – nach jahrelangem Schnuppertraining im Dänischen Bettenlager – mit seiner Nase an den frisch lackierten Dielen des Palastes entlangschnorchelt, um nach der Aufnahme des Geruchs von Pflichtgefühl, Disziplin und Vaterlandsliebe den Namen einer bis dahin auch unter Dänen unbekannten Baumgattung auszurufen: "Preußische Kiefer!"
Daraus mag sich fast so eine lustige Konversation entsponnen haben wie die beim Kika, der mit der Serie "Mama Mirabelles Tierkino" seine männlichen Zuschauer schon mal auf das Thema des Lebens vorbereitet: "Wir versuchen gerade herauszufinden, wer von uns den coolsten Schwanz hat." Entsprechend geht es in dem 11-Minuten-Stück darum, wozu so ein Ding gut ist: " … mein Schwanz kann super Versteck spielen! Kaum seht ihr ihn, ist er auch schon wieder weg!" Und was er kann: "Der ist so beweglich wie eine Schlange!"
Aber ganz im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrags wird der Spot auch auf die gerichtet, die von der Sonne weniger beschienen wurden: "Warum hätte mir ein Film gefallen sollen, Mama, der beweist, dass alle Schwänze besser sind als meiner?", fragt der kleine Elefant nach der Ansicht eines Einspielfilms über "coole Schwänze" und bekommt zu hören, was wohl fast jede Frau aus taktischen Gründen schon mal gesagt hat: "Hab ich dir nicht gesagt, dass es ganz viele Schwanzformen gibt und dass jeder Schwanz auf seine Weise einzigartig ist?"
Einzigartig, das ist auch die Kampagne, mit der der Springer-Verlag versucht, seine rote Marke (Bild, BamS etc.) in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. "Freiheit für die beiden im Iran inhaftierten deutschen Reporter!" lautet die Anzeige, für die – bis auf Freischreiber – alle namhaften Journalistenorganisationen als Unterzeichner gewonnen wurden und mit der Springer sich als Verfolgter inszeniert.
Geschickt ist es – und so viel Anerkennung muss sein – dem Verlag gelungen, dass sich all jene Organisationen mit dem Satz "Wahrheitsfindung ist kein Verbrechen" hinter ein Medienhaus stellen, dessen Objekt Bild noch immer von Lug, Trug, Unterstellung, Verleumdung, Suggestion und Witwenschütteln lebt. Wer Zweifel hat: alte Bildblog-Einträge anschauen. Hochachtung, Herr Döpfner!
Abgesehen von der unschönen Wortwiederholung – vier Mal "Journalisten" bzw. "journalistische" bei 68 Wörtern, das hätte man besser machen können. Schließlich ist die Anzeige doch so eine Art Aushängeschild für Qualitätsjournalismus. Eine Empfehlung gen Iran, sozusagen, wo wohl viel deutsche Zeitung gelesen wird. Ach nee, die Anzeige ist dort ja gar nicht erschienen.
Immerhin aber werden Sie, Herr Döpfner, und die ehrwürdigen Unterzeichner um Ihrer Glaubwürdigkeit willen sicher schnell eine große Anzeigen- oder gar Boykottkampagne zum ungarischen Mediengesetz starten. Denn wie sagen Sie abschließend: "Pressefreiheit ist der Gradmesser der Freiheit." Damit zurück nach Berlin!
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