Kolumne Die Kriegsreporterin: Schwangere und ihre Brüllbrut
Die alte denkmalgeschützte Kantine des „Spiegel“ zieht ins Museum. Und der Ex-MDR-Unterhaltungschef ist nicht bestechlich, nur geschäftstüchtig.
![](https://taz.de/picture/188302/14/spiegel_kantine_dpa.jpg)
H allo taz-Medienfront! Lustig ist das Museumsleben, faria-faria-ho! Zumindest, wenn man in Hamburg arbeitet und die legendäre und unter Denkmalschutz stehende Kantine des Spiegel Verlags in Teilen aufbauen will. Dann räumt man eine größere Fläche frei, beauftragt ein renommiertes Architekturbüro und lädt lustig viele Leute zum Angucken ein!
Und weil so ein Architekturbüro total Wichtiges zu tun hat, und es ja nur darum geht, so ne alte Klitsche aufzustellen, wird gebummelt und der Zollstock nicht richtig angelegt und am Abend der Eröffnung ist die Bude nicht fertig.
Das war sehr lustig, letzte Woche im Museum für Kunst und Gewerbe, wo man im Dreiviertelfertigen stand und nur froh war, dass die Deckenkonstruktion nicht auf einen herunterrauschte. Wobei ich ja einen Helm habe! Schön auch zu wissen, dass der Spiegel das Aufstellen quasi selbst bezahlt hat.
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Das Museum, das vor allem Werbeausstellungen für Firmen wie Ikea und Apple ins Haus holt oder fertige übernimmt, die so viel künstlerischen Anspruch haben wie Udo Lindenberg Haare auf dem Kopf, braucht das Geld schließlich. Keine Ahnung wofür. Einen Besuch wert ist der Aufbau der Kantine vor allem für diejenigen, die immer davon geträumt haben, beim Spiegel zu arbeiten. Die können noch einmal gucken und der verpassten Chance nachweinen – zumindest der, Teil eines Verner-Panton-Kunstwerkes gewesen zu sein.
Seine Chance verpasst hat auch der MDR. Und zwar deutlich zu machen, dass der MDR keine Selbstbedienungsanstalt ist. Dort nämlich findet man es nicht weiter tragisch, dass der ehemalige Unterhaltungschef Udo Foht sich vom Manager der Sängerin Helene Fischer Geld geben ließ. Offiziell als „Darlehen“ bezeichnet, damit genug Moneten für die Produktion der Sendungen zusammenkäme, in denen Fischer auftreten sollte. Was ein erstes „Hä?!“ zur Folge hat, schließlich nahm man bislang an, der öffentlich-rechtliche Rundfunk hätte aus den Gebühren genug Kohle für das ganze Trallafitti.
Und dass Foht gegen Honorar Moderationstexte für Fischer schrieb, findet man beim MDR auch in Ordnung, schließlich hatte er die Nebentätigkeit angemeldet. Nach welcher Zielsetzung, so meine bescheidene Frage, dürfen Führungskräfte dort wirken? Nach der: „Ich baue mir ein Reich und werde dadurch reich?“
Nach dem Motto „Any press is good press“ war eine Dame so mutig, mir eine Pressemitteilung zu einem neuen Webradio zu schicken. Nicht ohne mir ihre „vorzügliche Hochachtung“ zum Ausdruck zu bringen. Da auch ich nicht frei davon bin, mich vom Ausdruck der Achtung einwickeln zu lassen, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen und auf das Webradio aufmerksam machen. Es ist ein Musiksender, dessen Programm sich an Kinder bis zu drei Jahren und Schwangere richtet.
Ja, richtig, Radio für Schwangere und ihre Brüllbrut. Das Angebot variiert zwischen Pling und Plang, Klimperdibimper und Frühgeburten verhindernden Harfentönen. Die dargebotenen Songs, selbstverständlich positiv durch Ärzte, Hebammen und Psychologen bewertet, sind käuflich erwerblich, das Programm ist in vielen Weltsprachen abrufbar. Aber auch Spenden sind willkommen. Schließlich geht es um Großes: „Die ausgewählten Ideen und Gedanken, die zur Entwicklung einer noch sensibleren und besseren Gesellschaft beitragen, werden von uns gefördert und verbreitet.“ Dem möchte auch ich mich nicht verschließen: Schwangere! Babys! Scheißt auf Occupy! Hört www.de.radio4baby.com! Das Yanni-Poster aus dem Schrank holend zurück nach Berlin!
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