Kolumne Die Kriegsreporterin: Das Eierkarussell dreht sich weiter
Beim „Stern“ ist – hofft man – alles dran am Mann. In der ARD herrscht Eierüberschuss. Die „taz“ muss sich einen entzückenden Platzhalter suchen.
H allo taz-Medienredaktion! „Klingelingeling, klingelingeling, hier kommt der Eiermann! Klingelingeling, kommen sie alle alle an die Eier ran!“ Jawoll, jawoll, kommen Sie näher, kommen sie ran! Bei uns in den Medien ist schon vor Ostern die Eierzeit in ihrer schönsten Blüte! Eierzuwächse all überall!
Die dicksten – Zuwächse natürlich, ha ha ha! – kann das Blatt für Sexismus und Aufklärung Stern verbuchen. In nur zwei Wochen hat sich die Eierzahl auf der obersten Etage von zwei auf sechs verdreifacht! Vorausgesetzt, es ist auch alles dran, am Mann!
Aber das werden die Verantwortlichen schon geprüft haben, als beschlossen wurde, entgegen aller Absichtsbekundungen, auch Frauen auf die Chefstühle zu lassen, doch nur Herren in die Spitze des Blattes zu befördern. Ja, wo gibt es denn so was!? Nur bei uns in den Medien natürlich, der Einrichtung, die als vierte Gewalt ein Spiegel der Gesellschaft sein will.
berichtet jeden Mittwoch von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de. Kriegsreporterin auf Twitter: @Medienfront
Eierüberschuss gibt es entsprechend auch in der ARD, auch hier geben die runden Dinger den Ton an. So berieten dieser Tage die Chefredakteure der ARD, wer beim Kanzlerduell als Moderator bzw. Moderatorin antreten soll. Muss ich sagen, dass die neun Chefredakteure allesamt männlich sind? Ja? Nein? Das ist Ihnen eh schon klar? Prima!
„Professor Deppendorf Hastig“
Dann kann es ja weitergehen mit unserem lustigen Eierlauf diese Woche. Frage: Für wen haben die Herren gestimmt? Für Ulrich Deppendorf oder Anne Will? Was, Sie zögern mit der Antwort? Weil „Deppendorf“ quasi auf der Hand liegt, wenn ich schon so blöd frage, Sie sich aber nicht vorstellen können, dass der nette, aber behäbige Herr, ich nenne ihn auch gern „Professor Hastig“, sich gegen eine frische, intelligente, schlagfertige und charmante Frau wie Anne Will durchsetzt?
Ja, wo leben Sie denn? Na, noch einmal kurz nachgedacht, und richtig! Man hat sich mit acht zu einer Stimme für Ulrich Deppendorf entschieden! Der übrigens auch ein Chefredakteur der ARD ist. Und bei der Wahl anwesend war. Zwar ohne stimmberechtigt zu sein, aber gefragt wurde, wie er die Sache so sieht. Und wie sehe ich die Sache? Chefmänner stimmen über Frauen ab. Und entscheiden sich für (Chef-)Männer! Ja, so dreht sich das gute alte Eierkarussell!
Und bevor sich nun alle aufregen und den Dauerauftrag für ihre GEZ-Gebühr, die jetzt anders heißt, stoppen, kommt hier die gute Nachricht: Die ARD-FernsehdirektorInnen haben den acht Doofmännern die lange Nase der Vernunft gezeigt und sich über die Votierung hinweggesetzt. Wohl, weil ihnen klar ist, dass so eine Entscheidung heutzutage nicht zu rechtfertigen ist, zumal Anne Will bereits gegen Plasberg vor vier Jahren zurückstecken musste, haben sie entschieden: Will geht zum Kanzlerduell.
Du Apfelpastille in meiner Bonboniere
Womit ich mich nun ziemlich zufrieden zurücklehne und mit dem Feldstecher guck, wie es bei mir so weitergeht. Während man beim Stern in die Kristallkugel schaut, wie man aus dem Imagedesaster herauskommt, Frauen einfach nicht ernst zu nehmen, werde ich mein Säcklein packen und wegfahren.
Und jetzt kommt es, Medienredaktion, du Apfelpastille in meiner Bonboniere: für einen Monat. Einen Monat lang musst du zusehen, dass du irgendetwas hier hin schreibst, das auch nur halb so entzückend ist wie ich es bin. Obwohl ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe, leg ich jetzt meinen Helm in den Spind.
Dorthin, wo die Fotos von meinen Lieblingstazlern hängen: von Tom, Grimberg und dem Kollegen Schulz. Letzterem streiche ich mit meinem Blick noch einmal sanft über das blonde Haar, dann wird es auch für ihn dunkel. Mit einem fröhlichen „zurück nach Berlin!“ zurück nach Berlin!
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird