Kolumne Die Kriegsreporterin: Herren-Lob ohne Muschiflutsch
„Schlechte Zeiten! Gute Zeiten!“, ruft das Netzwerk Recherche. So schlimm kann es mit der Krise nicht sein, wenn Blätter schlüpfrige Werbung verweigern.
H allo, taz-Medienredaktion! Pünktlich zur Netzwerk-Recherche-Tagung letzte Woche, die dank des Universalakteurs, des Grandseigneurs von Panorama, des An-alles-Denkers und Frauenverstehers, des wirklich-wirklich unersetzlichen Kuno Haberbusch nicht nur wieder ein fettes Programm hatte, sondern auch ganz wunderbare Pommes, hat Süddeutsche.de bekannt gegeben, Rechercheaufträge von ihren Lesern annehmen zu wollen.
1996 der Kater Mikich verschwunden, in der Nacht zum 7. Februar der Ehemann oder aber auch die Frage, wo die zweite Uhr Eva Brauns abgeblieben ist – die MitarbeiterInnen freuen sich auf die Aufträge ihrer Leser. Und ich freue mich über so viel Offenheit seitens einer Redaktion. So offen sind nicht alle. Nein, nein, nein!
Musste ich doch gerade lesen, dass der Pharmazeut Dr. Wolff Schwierigkeiten hat, Zeitungen zu finden, die seine Anzeige für Scheidenfeuchtcreme drucken wollen. So schlimm kann es mit der Krise wohl doch nicht sein, wenn angeblich fast 20 Blätter sein Muschiflutsch nicht ins Blatt nehmen wollen.
berichtet von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de.
„Selbstauferlegte Richtlinien“ stünden Muschiflutsch im Weg. Nun würde ich natürlich gern wissen, welche Richtlinien. Penisex zu bewerben hat doch keiner Scheu. Schon als Kind saß ich vor den Anzeigen und fragte mich, wo man sich eine „Stimulationscreme für ihn“ hinschmiert. Mittlerweile kann ich es mir denken, wundere mich aber, was diese eigenartige Zurückhaltung bei Produkten für Frauen soll. Und vor allem, wer muss das wieder ausbaden? Wir Schreibende natürlich.
Weil angeblich kein Geld für uns da ist. Entweder die Zeitungen steigen wie letzte Woche aus dem Manteltarifvertrag aus, weil sie die Tarife für „nicht mehr zeitgemäß“ halten, nämlich zu hoch. Oder sie bezahlen die Freien schlecht. Ein Thema, das jetzt nicht weiter beleuchtet werden soll.
Meister Küppersbusch
Ganz hervorragend finde ich die neue Sendung von Friedrich Küppersbusch. Sie zeigt einmal mehr, wie trostlos, grau und unerquicklich die Zeit ohne den Meister war. Ein Meister, der in die Jahre gekommen, doch nichts von seiner Grazie, seinem gekonnten Zielschuss und der Leichtigkeit, mit der er das Florett „Zunge“ führt, verloren hat.
Haar weniger, ja das schon, aber der Rest, ganz wunderbar! Und auch auf die neue Sendung von Jan Böhmermann freue ich mich schon jetzt. Dieser fesche Kerl im Beerdigungsunternehmerdress, der auch auf dem Pferd so eine gute Figur macht! Ja, du siehst, Medienredaktion, ich habe Herren-Lob-Tage. Gepriesen sei, wer gepriesen gehört!
Überzeugt hat mich in diesem Zusammenhang auch der Geschäftsführer des Zeit-Verlages, der im Zuge unseres, wie ich finde, sehr gelungenen Interviews nicht nur meine Zeit-Magazin-Honorare im Internet veröffentlichte, sondern mir auch gleichsam „Verzerrung“ und „Scheinheiligkeit“ unterstellt. Wohlgemerkt, der Mann, der in dem Interview, das ihm zur Autorisierung vorliegt, etwa 80 Prozent seiner Antworten überarbeitet hat.
Und sich die neue Fassung, nachdem sein Übersatz von 2.000 Zeichen draußen ist, nochmals zur Freigabe vorlegen lässt. Und, Jurist, der er ist, diese freigibt. Und jetzt auf taz.de schreibt: „Sie hat wider besseren Wissens, um den Spin ihrer Geschichte zu erhalten, die Dinge verzerrt dargestellt.“ Ja, da war sie wohl ganz schön knülle, die Klein Erna, als sie das autorisierte Ding nach Berlin schickte.
Jetzt aber ist sie wieder voll da und freut sich auf weitere Veröffentlichungen privater Daten wie Honorare, sexueller Vorlieben und Kosenamen, wenn ein Interviewpartner seinen Beitrag blöd findet. Gespannt, was als Nächstes kommt, zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen