Kolumne Die Kriegsreporterin: Strumpf in die Büx
Während Kai Diekmann seine Klöten künstlich aufbläst, leidet die Südwestdeutsche Medienholding. „Auch emotional“, genau wie die Kolumnistin.
H allo taz-Medienredaktion! Hol mal schnell den großen Lappen raus! Ja, das, sagen wir mal, 8 mal 15 Meter große Ding, das wir vors Haus hängen. So, wie die Zeit es gemacht hat, weil sie sich über „100.000 Follower“ bei Twitter freut. Also, ich glaube, bei Twitter. Das steht auf dem Lappen nicht drauf, aber ich nehme es an, denn wer freut sich schon über 100.000 Stalker? Oder wie sollte man sonst „folgen“, eine Zeitung bewegt sich ja nicht vom Fleck? Also her mit dem Fetzen!
Aber nimm lieber das 2,5 mal so große, schließlich hast Du, Du süße Underdog-Zeitung, 259.000 Follower. Wobei ich, das möchte ich auch mal sagen, knapp 11.000 habe, wodurch, wie ich finde, die Zeit mit ihren 100.000 etwas piefig dasteht. Mit ihrem Lappen an der Wand. Was sind schon 100.000 Follower für eine Zeitung, die einen Jahresumsatz von 120 Millionen erwirtschaftet gegen ein Klein-Erna-Unternehmen, das gerade mal wieder kein Geld für die Steuervorauszahlung hat?
Ach, irgendwie verlottern die Zeiten. Früher hat sich ein Kerl, der nur einen Pimpfpenis hat, ne Socke in die Büx gestopft. Heute zeigt er sein kleines Gerät und hält sich für toll. Der Einzige, der sich noch traut, seine Klöten künstlich aufzublasen, einer, der quasi nicht mehr ohne Schwedische Penispumpe die Bühne der Öffentlichkeit betritt, ist Kai Diekmann. Da ist noch echt Lametta.
Ununterbrochen postet er auf Twitter sein Bullengedöns, dass ich mich wundere, ob das Teil seiner Arbeitsplatzbeschreibung ist. Und trotz seines unermüdlichen Einsatzes fehlt sein Name, wenn in der Bams steht, Twitter sei ein „Tummelplatz für Trolle“. Das ist traurig, so wenig Anerkennung.
Wer soll jetzt mit Friede tanzen?
Traurig finde ich auch, dass das mögliche außereheliche Treiben des Springer-Vorstandsvorsitzenden, Mathias Döpfner, Gegenstand der Berichterstattung ist. Sind wir nicht langsam weiter, als an der Auffassung festzuhalten, eine Ehe müsse von Dauer sein und erfolgreiche Männer seien generell treu? Viel schlimmer ist doch, dass ich lesen musste, Jan Bayer sei für die Ablösung Döpfners als Springer-Vorstand im Gespräch. Döpfner macht das sicherlich nichts aus, er sitzt ja bald bei der Telekom an der 11833.
Aber wer tanzt denn dann mit Friede?! Die arme Frau hat schon einmal ihren Axel verloren. Soll das jetzt ein zweites Mal geschehen? Ja, kann denn der Bayer überhaupt tanzen? Foxtrott?!?
Mann soll ja nicht denken, dass Verlagsbesitzer nicht auch leiden. Selbst wenn alle Axel noch da sind. Etwa die Südwestdeutsche Medienholding, wie turi2 schreibt. Weil die Süddeutsche Zeitung (SZ) nicht profitabel läuft. Und nicht nur, dass die Medienholding Druckstellen an den Zehen hat, Schummrigkeit vor den Augen und Magenziehen, sie leidet, so turi2, „auch emotional“. Seit ich das gelesen habe, versuche ich mir vorzustellen, wie es wohl aussieht, wenn eine Medienholding emotional leidet. Leider bekomme ich kein Bild.
Viel einfacher ist es, das Leid am eigenen Körper zu erleben. Dann nämlich, wenn von der Beerdigung Helmut Dietls in der SZ berichtet wird. Dass wieder so Dialektsätze gedruckt werden wie: „… gemeinsam seien sie vor dem Spiegel gestanden“, soll auf der „München-Seite“ geschenkt sein. Dass aber versucht wird, den Patricia-Riekel-Dämlichkeits-Schreibwettbewerb zu gewinnen, enttäuscht mich doch sehr. Dafür will ich kein Geld ausgeben. Hab ich auch nicht! Ich habe das Blatt in der Bahn gegen den Tagesspiegel eingetauscht. Und während ich mich zunächst diebisch freute, ein Schnäppchen gemacht zu haben, habe ich doch bald sehr gelitten. Vor allem emotional. Mit Tränen im Knopfloch zurück nach Berlin!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee