Kolumne Die Farbe Lila: Feuerrote Fingernägel
Sollen kleine Jungs sich schminken und schmücken?
E s ist einer dieser faulen Tage nach Weihnachten. Ich liege auf dem Sofa herum und lackiere mir die Fingernägel rot. Mein dreijähriger Neffe setzt sich neben mich und beobachtet mich interessiert. Er steckt in einer Feuerwehruniform, die er zu Weihnachten geschenkt bekommen und seitdem nur noch zum Schlafen ausgezogen hat. Plötzlich streckt er seine Finger aus und fordert: "Ich auch."
"Welchen soll ich dir denn anmalen?", frage ich ihn. "Alle", antwortet er.
Mir ist klar, dass man es komisch finden kann, wenn ein Dreijähriger mit zehn rot lackierten Fingernägeln herumläuft. Also verhandle ich mit ihm: "So kleine Kinder wie du kriegen nur zwei Nägel lackiert." Er bleibt dabei, dass es alle sein müssen. Ich bleibe dabei, ihm nur die Daumen zu lackieren. Als sie rot sind, sage ich: "Jetzt musst du pusten!" und schraube die Nagellackflasche wieder zu. "Nächstes Weihnachten will ich so was auch bekommen, dann male ich alle an", sagt der dreijährige Neffe.
Am Abend kommt Besuch. Ein Feuerwehrmann! Der Neffe ist rasend aufgeregt: Endlich ein Kollege im Haus! Endlich kann er mit einem Fachmann die wichtigen Fragen klären: "Wie lang ist der Schlauch?", "wie viele Feuerwehrmänner passen in ein Auto?", "fährst du auch Feuerwehrboot?" Mitten im Gespräch streckt er ihm stolz seine rot lackierten Daumen entgegen: "Schau!" "Mit roten Fingernägeln kannst du aber kein Feuerwehrmann werden", sagt der Feuerwehrmann. Der Neffe verstummt. Er schaut auf seine Hände, auf den Feuerwehrmann und wieder auf seine Hände. Dann steht er vom Tisch auf, kommt zu mir herüber und sagt: "Abmachen."
Wir gehen ins Bad, und ich versuche ihm zu erklären, dass er auch beides haben kann: rote Fingernägel und einen Job als Feuerwehrmann. "Weißt du, das Wichtigste ist, dass du stark genug bist, einen Feuerwehrschlauch zu halten und mutig genug, in ein brennendes Haus zu gehen. Die Fingernägel sind egal." Der Neffe überlegt. Er denkt an den Feuerwehrmann im Wohnzimmer, dem die roten Fingernägel nicht gefallen, dem er selbst aber gefallen will. Unbedingt. Der Lack muss runter, er besteht darauf. Mit einem Wattebausch und etwas Nagellackentferner schrubble ich seine beiden Daumennägel wieder rosarot, und er stürmt zurück zum Feuerwehrmann, seine Zukunft besprechen.
Susanne Klingner ist Mitautorin des Buches "Wir Alphamädchen" und bloggt auf mädchenmannschaft.net.
Ich muss an den kleinen Sohn einer Freundin denken, der bis zu seinem vierten Geburtstag nichts lieber trug als glitzernde und bunt glänzende Armbänder. Er hatte eine Holzschatulle, in der er all seine Schätze aufbewahrte, und jeden Morgen suchte er sich einen davon aus, streifte ihn über sein kleines Handgelenk und fühlte sich wie der schönste Mensch der Welt. Bis er, an seinem vierten Geburtstag, seine Kindergartenfreunde einlud, all seine Armbänder anlegte - immerhin war dies ein besonderer Anlass -, woraufhin ihm einer der Knirpse im Laufe des Nachmittags sagte, Armreifen seien nur was für Mädchen. Der Sohn der Freundin trug seine Armbänder nie wieder.
Am nächsten Morgen beim Frühstück schaut der kleine Neffe zu mir herüber, kaut nachdenklich an seiner Brezel und betrachtet meine Fingerspitzen. Dann streckt er seine kleinen Hände in die Luft, hält mir seine Finger entgegen und ruft: "Bitte nachher wieder rot machen. Aber alle!!
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