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Kolumne Die Farbe LilaSchluss mit der Diskussion

Kolumne
von Susanne Klingner

Die vergangene Woche war ein Fest für den Feminismus. Bessere Werbung kann sich eine soziale Bewegung kaum wünschen als die, die Kristina Schröder dem Feminismus bereitete.

K ristina Schröders Werk „Danke, emanzipiert sind wir selber“ wurde auf allen Kanälen besprochen, ich habe es sogar gelesen – von Seite zu Seite mit wachsendem Erstaunen, dass sich da jemand, zumal eine Frauenministerin, mit solcher Verve an einem Klischee abarbeitet, das es so in der Realität gar nicht mehr gibt. Denn Schröder sieht den Feminismus als verbissene Ideologie, als Ansammlung von herrschsüchtigen Frauen, die allen anderen Frauen am liebsten einen Regelkatalog vorlegen würden, nach dem sie zu leben haben. Wann haben Sie zum letzten Mal eine derart stalinistische Feministin getroffen? Ich kenne keine.

Und ich bezweifle sogar, dass es sie in der Masse überhaupt jemals so gab – als Einzelpersonen vielleicht, Fundamentalisten gibt es in jeder Bewegung, aber die Masse der Frauenrechtlerinnen wollte einfach nur: notwendige gesellschaftliche Veränderungen. Dass sie andere, anders Gesinnte damit genervt haben mögen, kann ich mir gut und lebhaft vorstellen. Das ist heute nicht anders. Aber die Karikatur der biestigen Feministin wurde gezeichnet, um Frauenrechtlerinnen lächerlich zu machen und so auch andere Frauen davon abzuhalten, sich selbst diesem Spott auszusetzen.

Eine Ministerin, die sich schon qua Amt mit der Geschichte, den Höhen und Tiefen der Emanzipationsbewegung und ihren Gegnern beschäftigen sollte, müsste genau das eigentlich auch erkennen. Es sei denn, sie will es nicht sehen.

taz
SUSANNE KLINGNER

ist Mitautorin des Buches „Wir Alphamädchen“ und bloggt als Frau Lila.

Ironischerweise fühle ich mich nun durch meine Frauenministerin ziemlich bevormundet, schreibt und sagt sie doch: Schluss mit dem Streit! Dabei ist Streit das einzige Mittel, das einem in einer Demokratie immer zur Verfügung stehen sollte. Nur durch Streit entwickelt sich eine Gesellschaft weiter. Was wäre das denn zum Beispiel bitte für ein Verteidigungsminister, der angesichts von Bundeswehreinsätzen und den Diskussionen darüber ein Buch veröffentlichte, dass nun endlich mal Schluss sein müsse mit der Debatte, ob Deutschland an diesem Krieg teilnehmen soll? Und der dieses Buch dann auch noch als rein private Angelegenheit verstanden haben will?

Kristina Schröders Buch wäre nur als Kündigungsschreiben glaubwürdig. In der Realität dagegen sind längst nicht alle Geschlechterfragen geklärt. Und nein: Nicht alle Feministinnen sind Moralterroristinnen. Der Feminismus, den man heute im Alltag begegnet, ist entspannt, streitlustig, kreativ. Er kämpft mit Argumenten, weil Tomatenwerfen heute nicht mehr helfen würde. Moderne Feministinnen schreiben genauso lustig-bissige Blogs, wie sie Petitionen unterschreiben. Sie setzen sich mit Politikerinnen und Politikern genauso zusammen wie mit Schülerinnen, die wissen wollen, warum Jungs mit vielen Freundinnen cool und Mädchen mit vielen Freunden Schlampen sind. Sie streiten für Kitaplätze genauso wie für mehr Väterrechte.

Meinetwegen ist der Feminismus nicht immer cool und nervt manchmal ungemein. Auch mich, wenn auch seltener als, sagen wir mal, die Frauenministerin. Aber vor allem er ist noch immer zu wichtig, als dass man ihn deswegen sein lassen könnte. Und jetzt: Schluss mit der Diskussion.

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7 Kommentare

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  • NB
    Nina B.

    Feminismus braucht einen neuen Anstrich!

     

    Ich finde es wirklich schade, dass Feminismus häufig damit gleichgesetzt wird, GEGEN Männer zu sein!!?!?!!

     

    Wenn man in die Geschichte schaut, haben Frauen noch nicht allzu lange überhaupt was zu sagen in der Gesellschaft (ein Glück dass es jetzt besser ist!)!

    Das ist der Grund dafür, dass mutige Frauen sich zusammengetan haben, um sich dafür einzusetzen, dass NEBEN den Bedürfnissen der Männer (die über alles bestimmten!) auch IHRE Bedürfnisse MITberücksichtigt werden! NICHT, die Weltherrschaft zu übernehmen!

     

    Und ja, ExtremistInnen gibt es überall! Aber bitte nicht von einer auf alle schließen, Leute!

     

    Es ist so schade, dass Frauen sich für emanzipiert halten, wenn sie Frauen, die sich für gleiche Bezahlung, Selbstbestimmungs- und Mitspracherechte einsetzen, abwerten! Sie schaden damit nicht nur den ohnehin schon vorurteilsbehafteten Feministinnen, sondern allen Frauen und sich selbst!

  • J
    Jens

    "(...) Wann haben Sie zum letzten Mal eine derart stalinistische Feministin getroffen?"

     

    Ob stalinistisch, würde ich bezweifeln. Das wäre infrarot statt ultraviolett. Aber wieso denke ich sofort an Alice Schwarzer?

     

    Mal im Ernst: Wenn "immer" ein so mieses Bild vom Feminismus gezeichnet wird, täte man gut daran, sich zu fragen, warum das so ist. Und ich habe die meisten (männlichen) Emanzenhasser eher in der linken Szene getroffen.

     

    Vielleicht würde es helfen, wenn sich bei den Feministinnen deutlich erkennbar trennen würde, was (tatsächlich?) nicht zusammengehört. Aber das real existierende Gesamtpaket Feminismus enthält zu viele undemokratische, männerfeindliche, einseitige und (auch das!) schlicht nervende Bestandteile, als daß ich als Mann ihn unterstützen könnte. Das gilt auch für "Einzel"-Feministinnen, denn ich weiß ja nie, zu welcher Fraktion die betreffende Frau gehört.

     

    Auch links ist nicht gleich links. Aber ein Anarchist wird deutlichst klarmachen, daß er kein Maoist, Stalinist u.s.w. ist. Deshalb leuchtet mir nicht ein, wieso ich bei Feministinnen differenzieren soll, was sie selbst nicht deutlich differenzieren.

  • C
    Comment

    "Moderne Feministinnen ... Sie streiten für Kitaplätze genauso wie für mehr Väterrechte."

    *ROFL*

    Wenn das mal nicht ein Paradebeispiel feministischer Rhetorik ist!?

    Ich habe noch nie - also wirklich niemals - davon gehört, gelesen, oder es live erlebt, dass eine von euch für die Abschaffung des §1626a BGB gestritten hätte. Aber dass ist eben der feine Unterschied, der soll nämlich bitteschön bestehen bleiben. Mutti hat das letzte Wort und deswegen sollen Väter allenfalls MEHR und keinesfalls SELBE Rechte erhalten. Basta!

  • B
    Beppo

    "Feministinnen streiten für Männerrechte ...."

    Sehr geehrte Frau Klinger, würden Sie mir bitte mal eine empfehlen, die das für Väter und Männer im Landkreis Leipzig tun würde? Ich bitte darum.

  • P
    Pierre

    "Aber die Karikatur der biestigen Feministin wurde gezeichnet, um Frauenrechtlerinnen lächerlich zu machen und so auch andere Frauen davon abzuhalten, sich selbst diesem Spott auszusetzen."

     

    Goldene Worte in dieser lächerlichen Auseinandersetzung, ob eine emanzipatorische Bewegung innerhalb der Gesellschaft sein "darf". Ich wünsche Frau Schröder den Stammtisch, den sie offenbar braucht, aber in Berlin liegt der nicht.

  • R
    ron

    warum kann sich eine kristina schröder als frau den in die politik begeben und politische bücher schreiben?doch nur,weil die bösen feministinnen ihr diesen weg bereitet haben.

    in der schweiz gab es bis 1976 kein wahlrecht für frauen.wer hat das wahlrecht durchgesetzt?-richtg,die feministinnen.

    natürlich gibt es frauen die unter dem label des feminismus männerhass predigen.geht man bei diesen personen dann aber auf die persönliche motivation ein,bleibt da nicht mehr viel politisch ernstzunehmender hintergrund übrig.

    aber so ist das doch bei jeder politischen oder gesellschaftlichen richtung.

    was triebt frau schröder persönlich dazu an, so eine ablehnung gegen feministinnen zu haben?

    sehnt sie sich insgeheim einfach nach männern der alten schule, die ihr als frau anständig den hof machen?

    was ist ihre persönliche motivation ,könnte man sich fragen?

    das könnte man sich bei jedem politischen menschen fragen, bis nur noch eine tiefenpsychologische analyse übrigbleibt.

    bleiben wir doch einfach mal bei den tatsachen das frauen in deutschland immernoch nicht gänzlich gleichberechtigt sind.

    ich als mann, würde mir aber ein miteinader der geschlechter auf augenhöhe wünschen.

  • K
    Katherine

    Mich verwundert es nicht, dass Frau Schröder so denkt. Viel deutsche Frauen in meinem Bekanntenkreis würden sich lieber den Finger abschneiden, als sich eine Feministin zu nennen. Und nicht, weil sie frauenfeindlich sind, sondern weil der Feminismus in Deutschland einem Schimpfwort gleichkommt. Wenn man dann aber über die Themen selber spricht, sind die Haltungen natürlich viel differenzierter. Auf die Frage: "Findest Du, dass Frauen und Männer das gleiche Gehalt für den gleichen Job bekommen sollen?" gibt es eigentlich immer nur die Antwort "Ja, natürlich".

     

    Ich finde es tragisch, dass so viele Menschen den Feminismus als männerfeindlich betrachten, wo doch emanzipierte Männer auch viel besser dran sind als nicht-emanzipierte. Wirklich schade, dass reaktionäre Kräfte jedes Bemühen um echte Gleichheit als instinktiven Buhmann umfunktioniert haben, dessen sich Frau Schröder jetzt bedienen kann, ohne auch nur ein bisschen nachzudenken