Kolumne Die Couchreporter: Wenn's mal nicht der Gärtner war
Langsam öden einen die vielen TV-Krimis an. Immer dieselben Plots. Die Serie „Search Party“ ist anders: Hier ermitteln Hipster beim Smoothie.
berall Leichen. Auf Netflix, auf Amazon Prime, in der ARD und im ZDF. Auf allen Kanälen wird gestorben. Überall suchen miesgelaunte Ermittler vor grau-filtriger Kulisse nach dem Killer. Vielleicht gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Plots? Vielleicht ist der Krimi tot? Mittlerweile errate ich zu 80 Prozent den Ausgang der Serien: Die neidische Kollegin ist der Täter. Der Gärtner war's. Oder, wenn man die Zuschauer „überraschen“ will, ist die Kommissarin selbst die Mörderin.
Doch es gibt eine gute Nachricht. Noch wurden nicht alle Plots erzählt! Seit über einem Jahr gibt es eine Serie, die einen tollen, neuen Ansatz hat: „Search Party“ stammt unter anderem aus der Feder von US-Autorin Sarah-Violet Bliss („Mozart in the Jungle“) und verortet den Tatort mitten im New Yorker Hipsterleben der 2010er Jahre.
Dory (Alia Shawkat) – so heißt die Hauptfigur – ist Ende 20 und könnte auch bei „Girls“ mitspielen. High-Waste-Jeans und Blusen mit Pferdeaufdruck hängen im Kleiderschrank. Sie hat einen schlecht bezahlten Nebenjob. Und ihre Freunde sind Schauspieler oder Autoren. Dory ist unzufrieden mit sich und weiß nicht so recht, wohin mit ihrem Leben. Eines Tages sieht sie an einem Straßenpfeiler ein Vermisstenplakat. Ihre Bekannte Chantal aus Unizeiten ist verschwunden. Und Dory hat plötzlich ihre Aufgabe gefunden: Sie muss Chantal finden.
Von Episode zu Episode der ersten Staffel tun sich immer mehr Storylines auf, wie es sich für eine Krimiserie gehört: War Chantal etwa in einer Sekte? Wer ist der Kerl, der Dory an der Straßenecke stalkt? Oh Gott, in Dorys Wohnung wurde eingebrochen! Spannend und neu ist aber, dass Dory mit ihren Freunden bei Smoothie und Latte Macchiato ermittelt. Während sie Hinweisen nachgehen, checken sie ihren Newsfeed auf Instagram. Beim Schaufeln eines Lochs kriegt man kurz künstlich die Krise. Alle Figuren kreisen ständig um sich selbst.
Die zweite Staffel dreht sich um das Thema Schuld
Sogar Chantal, die Verschwundene. Die Suche nach ihr endet recht lapidar – gespoilert werden soll ja nicht – und gerade deshalb überraschend. Zugleich gibt’s zum Staffelfinale (aus Versehen) einen Mord, der den Übergang zur nächsten Staffel ebnet. An diesem Mord hat die Hipstergruppe nämlich erst mal zu knabbern.
Die zweite Staffel von „Search Party“, die gerade angelaufen ist, dreht sich um das Thema Schuld: Wie kann man damit weiterleben, ein Verbrechen begangen zu haben? Dabei schlagen Dory und ihre Freunde sehr unterschiedliche Wege ein. Der eine hat Ablenkungssex, die eine verdrängt, die Dritte bekommt Angstzustände und wiederum einer schlimmen Ausschlag.
Auch hier spannend, dass sich der Umgang der Figuren so sehr von dem in anderen Serien unterscheidet. Zwischen Starbucks und Shopping sind einem diese Figuren, so selbst verliebt und aufgesetzt sie manchmal auch sein mögen, irgendwie nah. Während die super ernsten, knallharten Ermittler in anderen Krimiserien meist zu linear und zu professionell handeln, machen die Millennials lauter Fehler. Die Figuren handeln damit nicht unbedingt clever, aber wenigstens nicht vorhersehbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga