Kolumne Die Couchreporter: Leere Hüllen
In der Serie „Altered Carbon“ können Menschen einfach Körper wechseln und ewig leben. Dabei werden jede Menge Frauenkörper misshandelt.
W ie sähe die Welt aus, wenn die Menschen nicht mehr sterben müssten? In der Netflix-Serie „Altered Carbon“ haben Menschen eine Technologie gefunden, die sie unsterblich macht: Ein Chip im Nacken speichert ihre Erinnerungen. Wenn ihr Körper stirbt oder beschädigt wird, transferieren sie den Chip einfach in einen neuen Körper, sofern sie sich das leisten können. Die Superreichen wohnen über den Wolken und leisten sich geklonte Ersatzkörper und regelmäßige Backups. Somit leben sie ewig, die Menschen auf dem Boden nicht.
Einer dieser Superreichen glaubt, ermordet worden zu sein. Weil sein letztes Backup aber 48 Stunden vor seinem Tod war, kann er sich nicht erinnern, was passiert ist. Das Rätsel will er mithilfe des mittlerweile 250 Jahre auf Eis gelegten Superterroristen Takeshi Kovacs lösen, dessen Chip er in den Körper eines Ex-Polizisten setzen lässt. Kovacs ist beim Aufwachen nicht begeistert, nimmt den Job aber an. Alle möglichen Leute wollen ihn nun umbringen, woraufhin er alle möglichen Leute umbringt. Als wäre das noch nicht genug sinnloses Geballer, wird die Gewalt in virtuellen Folterkammern à la „Matrix“ noch intensiviert.
Man kann in dieser Welt zwar echt sterben wenn der Chip zerstört wird, doch Körper sind austauschbar. Mit dieser Austauschbarkeit spielt die Serie und zeigt wunderbar, auf welchen soziale Konstruktionen unsere Gesellschaft basiert. So setzt die Polizistin Kristin Ortega den Chip ihrer Latina-Oma beispielsweise in den Körper eines furchteinflößenden weißen Gang-Mitglieds ein. Einfach so für einen Familienabend. Die „körpertote“ Frau eines Sidekicks lässt Kovacs zur Verstärkung des Teams in den gerade verfügbaren Körper eines weißen Mannes einsetzen – und das eigentlich heterosexuelle Paar liebt sich in zwei Männerkörpern weiter.
Zwar ist die Serie schön divers besetzt – gerade mit den starken Nebenrollen von Frauen of Color –, gleichzeitig reproduziert sie aber den im Hier und Jetzt noch nicht überwundenen Rassismus: Weiße männliche Schauspieler bekommen mehr Rollen. Besonders eklatant ist das bei dem eigentlich asiatischen Kovacs selbst, der größtenteils von einem weißen Mann gespielt wird und nur in Rückblenden von dem koreanisch-amerikanischen Schauspieler Will Yun Lee.
Empfohlener externer Inhalt
Dass Körper bedeutungslos sind, nimmt die Serie zum Anlass, sie auch als wertlos zu behandeln – vor allem Frauenkörper. Die Superreichen zahlen Vermögen, um Prostituierte zu misshandeln und zu töten. Die sexualisierte Gewalt wird zwar als Stilmittel eingesetzt, um vor der Zukunft zu warnen, sie fügt sich aber wohl nicht zufällig in aktuelle Machtverhältnisse und Sehgewohnheiten ein.
Letztlich schaut man in diesem dystopischen Cyperpunkgemetzel traumatisierten Leuten in einer Gewaltspirale zu. Manche schaffen es heraus, andere nicht. Aber fast immer bleiben die Charaktere flach, ihre Beweggründe unklar. Die Körper sind genormt, fetischisiert und gleichzeitig nichts wert. Die Erinnerung ist vom Körper losgelöst, die Seelen abhandengekommen, der Körper eine leere Hülle.
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