Kolumne Die Charts: Du, entschuldige, i kenn di
Die Charts heute mit einem Quiz: Erraten Sie sechs Popsongs. Plus: Larsson, Feldbusch, Wecker, Jagger und The Doors.
Bitte raten Sie mit: Welche fünf Songs sind in dieser Geschichte versteckt, und welcher legendäre Popsong liegt ihr zugrunde?
Peter Unfried ist stellvertretender Chefredakteur der taz.
Ich sitze in einem Lokal. Der Kaffee ist fertig. Ich trinke ihn aus. Bevor I geh, scanne ich routinemäßig die Hasen. Und wie ich dann in diese zwei Augen schaue, weiß ich sofort, dass ich sie kenne. Weil das ist dieses Blau. Das lässt sich mit gar nichts anderem vergleichen.
Oh Gott.
Fünfzehn Jahre ist das her. Es war unser letzter Schultag. Damals stellte das Leben seine Weichen. Wir verloren uns danach sofort aus den Augen. Hab mich oft gefragt, was aus ihr wurde. Eigentlich jeden Tag. Praktisch mach ich ja seither nichts anderes mehr, als darüber nachzudenken. Sie wohnte zehn Häuser weiter, ich konnte nächtelang nicht schlafen, wenn sie mir auf dem Schulhof auch nur einmal kurz zuzwinkerte. Klar, dass nichts lief. Sie war nicht nur mein Schwarm, sondern der von allen meinen Spezln auch.
Hat sie mich auch erkannt? Seltsam, ich höre die Musik nicht mehr. Ich kann mich nicht bewegen, ich kann nicht sprechen. Es ist genau wie früher. Ich bin reif für die Insel. Und jetzt zwinkert sie mir auch noch zu. Wie damals. Hat sie mich etwa auch erkannt? Jedenfalls öffnet sie jetzt den Mund und sagt: "Na, wie gehts denn, mein Peterl, na, klar? Du hast auch schon lang nichts mehr von dir hören lassen."
Ich stammele: "Ja, sehr lange, ja, viel zu lange."
Sie lächelt und sagt: "Komm, dann probieren wirs halt jetzt miteinand."
Das war vorgestern. Und heute? Happy Ending! Mensch, ich hätte nicht gedacht, dass man fünfzehn Jahre einfach so streiche(leinheite)n kann. Als ob dazwischen einfach nichts gewesen wäre. Andererseits: Bei mir war ja auch nichts. Und wie heißt es so treffend? Es ist nie zu spät.
*
Na? Haben Sie die Lösung? Die erste richtige Antwort gewinnt eine CD mit den sechs größten Hits von Peter Cornelius.
Wenn Sie nun denken, hier werde auch nur wieder gemütliche, sentimentale Pop-Affirmation serviert: Wissen Sie etwa nicht, wie es weiterging? Die Blue Eyes und das Peterl heirateten unter großem Jubel von 500 Rechtswählern im Stephansdom, kriegten drei Kinder, leider nur Jungs, es entstand eine total aggressive Atmosphäre, seither hassen die beiden sich, ließen sich scheiden, die Buben leiden am meisten. Na, ob es da nicht besser gewesen wäre, es auf sich beruhen zu lassen?
Was mich betrifft, so will ich mich nicht länger verstecken, sondern Ihnen gestehen, dass auch ich meine erste große Liebe nie mehr wiedergesehn habe seit unserem letzten Baumschultag.
Es gab da eine Samstagnacht an dem kleinen Weiher, als der gute Mond auf unsere zitternden Leiber schien, und ich dachte …
Jedenfalls sitze ich seither täglich in Cafés, aber es tut sich auch in dieser Hinsicht nichts.
Das ist jetzt auch schon wieder 25 Jahre her und eigentlich noch länger, weil ich am letzten Schultag längst eine weitere große Liebe hatte, von der ich nie mehr gehört habe und die auch nicht zufällig in meinen Lokalen und Kaffeehäusern aufgetaucht ist, was aber vollkommen in Ordnung geht. Außer manchmal.
*
Eigentlich will ich nur sagen: Jemand hat mir erzählt, dass es längst üblich wäre, seine alten großen Lieben zu googeln. Seither kämpfe ich dagegen an.
Die Charts im Oktober:
Buch: Stieg Larsson ist doch nicht so gut. Mehr auf Nachfrage.
Medien: Dieter Bohlen-Interviews (Stern usw.) bringen es nicht mehr. Verona Feldbusch dagegen gibt weiter anständige Fotos her (siehe OK!).
Song: "Genug ist nicht genug" von Konstantin Wecker. Wiederentdeckt in der Sammlung eines Urlaubshauses in Freiburg-St. Georgen. "Nur die Götter gehn zugrunde / Wenn wir endlich gottlos sind." Das gibt einem das Gefühl eines Gefühls. Was für eins? Egal. Hauptsache, eins. "L. A. Woman" dagegen (The Doors) ist und bleibt lahmarschig.
Der kluge Satz: "Dont waste your energy/ On making enemies." Mick Jagger ("Lets work")
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