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Kolumne Der rote FadenLaut, hässlich, Trump

Rieke Havertz
Kolumne
von Rieke Havertz

Donald Trumps Schreien eigene Schreie entgegenzusetzen, wäre weder klug noch wirksam. Welches Amerika wollen die Bürger?

Auch als Tattoo nicht gerade der Kracher: Donald Trump Foto: reuters

Herr Trump, ich versuche mein Bestes, nicht politisch zu sein. … Doch ich habe begriffen, dass es nicht länger eine politische Entscheidung ist, gegen Sie zu sein. Es ist eine moralische. … Ich habe gesehen, wie Sie Flüchtlinge mit Schlangen vergleichen und behaupten, der Islam hasst uns. … Sie sind ein Mann, der im Streben nach persönlicher Macht Vorurteile und Gewalt fördert. … Herzlich, Brandon Stanton.“

Donald Trump, der Rassist. Trump, der Präsidentschaftskandidat, der es gut findet, wenn einer seiner Anhänger einem Schwarzen einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Trump, der Brandredner. Nichts aus Stantons offenem Brief ist wirklich neu. Und doch elektrisiert der Brief, den der Fotograf diese Woche online stellte. Laut Facebook ist sein Post der wahrscheinlich meistgeteilte Eintrag, den es bisher gab. Mehr als 2,1 Millionen Menschen gefiel der Text bis Freitag – darunter ein „Like“ von Hillary Clinton. Wichtiger noch: Mehr als eine Million Menschen haben den Beitrag geteilt. Das ist es, was Amerika braucht: eine Bewegung.

Trump wird durch seine eigene Partei auf dem Weg zur Nominierung kaum mehr aufzuhalten sein. Die hektischen Versuche, mit denen die Republikaner irgendwie auf eine Kampfabstimmung beim Parteitag im Juli hoffen und sich gar noch am Donnerstag „House of Cards“-mäßig in Hinterzimmern trafen, um eine Strategie gegen Trump zu entwerfen, zeugen von nichts als Verzweiflung. Mitte März eine Strategie gegen den populärsten Kandidaten im Bewerberfeld zu stricken, ist lächerlich.

Außerdem hat Teflon-Trump bewiesen, dass so einiges an ihm abprallt. Regelmäßig schickt er Tweets mit einem einzigen Satz in die Welt: “MAKE AMERICA GREAT AGAIN.“ Und zwar genau so, in Versalien. Immer wieder. Und man möchte ihm völlig irrational entgegenschreien: „SHUT UP.“

#WhichHillary

Das ist Trumps Bewegung: laut, hässlich. Stantons Brief ist leise, ausgeruht. Es ist beruhigend, dass auch er gelesen wird. Trumps Schreien ein Schreien entgegenzusetzen wäre weder klug noch wirksam, würde allenfalls kurz vom Frust befreien.

Der Linken in den USA wird nicht gefallen, dass es ausgerechnet Hillary Clinton ist, auf die sie nun wohl setzen müssen. Progressive arbeiten sich derzeit auf Twitter immer noch an der Demokratin ab. #WhichHillary ist seit Wochen ein beliebter Hashtag. Er soll die Unterschiede zwischen Sanders und Clinton aufzeigen und die 68-Jährige als Opportunistin entlarven. Sollte es aber zum wahrscheinlichen Duell Clinton versus Trump kommen, sollten all diejenigen, die Clintons Fehler suchen und finden – niemand behauptet, sie ist die Traumkandidatin –, auf den Hashtag #WhichUSA umsteigen.

Welches Amerika will diese Gesellschaft? So richtig schön pathetisch, klassischer Ami-Style. Aber wer derzeit durchs Land reist, der kann nicht anders, als sich diese Frage zu stellen. George W. Bush war schon keine Glanzleistung, vor allem seine Wiederwahl. Nun, nach acht Obama-Jahren, auf konservativer Seite die Wahl zwischen Trump und Ted Cruz zu haben, lässt Bush fast, nun, harmlos erscheinen.

20 Minunten Taxifahrt, 20 Minuten Hass

Aber Trumps und Cruz’ Popularität sind leider nicht nur der Ausdruck einiger weniger im Land oder eine Phase. Das zeigt sich, wenn der armenische Taxifahrer in Las Vegas wutentbrannt darüber schimpft, dass man auf keinen Fall noch mehr Migranten im Land brauche, die keine Steuern zahlen und ihm, dem hart arbeitenden Mann der Mittelschicht, alles kaputt machen. Dass seine Eltern als Einwanderer genau diese Chance hatten und nutzten, ist etwas anderes, klar. 20 Minuten Taxifahrt, 20 Minuten Hass.

Dass Vorurteile und Rassismus weit verbreitet sind, zeigt eine Untersuchung von einem Online-Wohnungsfinder, der Tweets nach beleidigender und rassistischer Sprache durchsucht hat. Während der Südstaat Louisiana wenig überraschend an der Spitze steht, folgt auf Rang zwei direkt Nevada. Der Staat, der demografisch das künftige Amerika spiegelt. Hohe Anteile an Latinos, Afroamerikanern und Amerikanern mit asiatischen Wurzeln leben dort. Gelebte Vielfalt heißt das immer so schön.

Aber mit dieser Vielfalt kommen zu viele Amerikaner ganz offensichtlich nicht klar. Es ist leicht, einen Tweet in der Anonymität des Internets zu verfassen. Der kann auch wieder gelöscht werden. Das Kreuz jedoch, das viele auf ihrem Wahlzettel bei Trump oder Cruz machen, kann nicht mehr gelöscht werden. „Ich begreife, dass es keine richtige Zeit gibt, um gegen Gewalt und Vorurteile zu sein. Die Zeit ist immer jetzt“, schreibt Stanton in seinem Brief. Amerika braucht mehr Stantons, mehr Briefe; mehr Bewegung.

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Rieke Havertz
Leiterin taz.de
Jahrgang 1980, studierte Journalistik und Amerikanistik an der Universität Leipzig und der Ohio University. Seit 2010 bei der taz, zunächst Chefin vom Dienst, seit Juli 2014 Leiterin von taz.de. Schreibt schwerpunktmäßig Geschichten aus den USA.
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1 Kommentar

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  • Zu viele Amerikaner sind in den letzten Jahrzehnten ökonomisch und sozial abgehängt worden, haben im Grunde längst resigniert und sind Beute eines Fatalismus geworden, der eine Verbesserung ihrer Situation in Zukunft noch unwahrscheilicher macht. Rieke Havertz unterliegt leider demselben Trugschluss wie zahlreiche AfD-Wähler hier, wenn Sie das Problem in der Vielfalt der amerikanischen Gesellschaft verortet und nicht da, wo es herkommt - nämlich aus der aggressiv kapitalistischen Ausrichtung der Gesellschaften.