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Kolumne Der Kommissar #6Die armen alten Balten

Estland, Litauen und Dingsbums sind Europas Abzockkönige. Die Alten kriegen dort nur eine anständige Rente, wenn sie in der Waffen-SS waren.

Kulturfestival in Lettland: Europa, wie es sein soll? Bild: Getty Images

W er zockt in der EU die meisten Subventionen ab? Jetzt denken alle wieder: Griechen, Polen, Zonis. Aber: alles falsch! Fakt ist: Der wahre Zocker-Meister ist Estland: 589 Euro pro Kopf, Platz eins in ganz Europa! Gleich dahinter: Dingsbums (504 Euro pro Kopf!) Dann: Lettland (468 Euro pro Kopf!) Alles netto!

Estland, Lettland und Dingsbums gehörten früher zu Russland, gingen den gutmütigen Russen („Mütterchen Russland“) aber mit ihrem Gejaule so auf die Nerven („Singende Revolution“), dass die Russen sie rauswarfen. Jetzt nerven sich Esten, Letten, Dingsen gegenseitig mit ihren „Song Festivals“ (Estländisch für: „Musikantenstadl“).

LÄNDERLEXIKON BALTEN

Hauptstädte: Tallinn, Riga, Dingsda

Größe: klein

Bevölkerung: unglücklich

Exportgüter: Telefonieren im Internet

Berühme Leute: Heinz Erhardt, Sergei Eisenstein, Lena Valaitis

Berühmte Orte: Ostsee

Kultur: Estonian Song Festival, Latvian Song Festival, Dings da

EU-Tauglichkeit: null

„Man nennt diese Staaten die baltischen Staaten“, berichtet taz-Experte Georg Baltissen (62). Aber: Die Balten kennen nur Balten, Minderheiten sind ihnen egal, selbst untereinander sind sie sich spinnefeind. (Irre: Jeder Staat hat seine eigene komische Sprache!) Und Antisemitismus ist dort kein Vorwurf, sondern Normalität.

Und: Alle EU-Gelder werden für die Jungen verjubelt (kostenloses Internet). Der alte Balte lebt in bitterer Altersarmut. Geld und Denkmäler kriegt Opa nur, wenn er in der Waffen-SS war. Schlimm!

Darum sind die Balten auch so unglücklich: Plätze 113, 118 und 199 auf dem Happy Planet Index (extrem objektive Expertenliste) – hinter den Chaosländern Afghanistan und Ruanda! Estland, Lettland und Dingsbums können die Russen gerne wiederhaben. In die EU gehören sie nicht!

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Deniz Yücel
Kolumnist (ehem.)
Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.
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3 Kommentare

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  • Könne mer net so a Austausch mache mit den drei Dings-Staaten gege die Ukraine? I mein, so a Art Gefangene-austausch nur halt mit ganze Ländern?

  • Diese Kolumne ist - typisch Yücel - wieder mal hohlverkrampft unoriginell. So zu tun, als wenn einem der Name des dritten landes partout nicht einfällt - plump und unterirdisch!

    Das mit den SS-Renten ist eine makabere, bei Weitem nicht überall bekannte Wahrheit, da sollte die taz mal kräftig mit allen Daumen draufdrücken! Der Antisemitismus ist allen (post)sowjetischen Gesellschaften immanent, ebenso wie die Homophobie. Das ändert nichts an den herrlichen Landschaften, der jahrhundertealten Tanz- und Sangesfreude und Gastfreundschaft oder dem überall verfügbaren kostenlosen Internet im Baltikum. Estland heißt nicht umsonst e-stonia. Da kann sich das deutsche Land noch in mancher Gegend nicht nur eine Scheibe abschneiden.

    Die soziale Spaltung dieser Gesellschaften ist weitaus diffiziler als das Extrempendel zwischen Antisemitismus, Russenphobie und Party-bis-ins-Koma-Clubleben in den drei Hauptstädten.

  • Das mit den Subventionen stimmt so nicht. Diese Gelder nimmt man ihnen regelmäßig sofort wieder ab, wenn sie ihre Länder mit dem LKW oder Ahnlichem verlassen. Sie sind ein durchaus lustiges Völkchen - das Foto beweist es - und darüber hinaus ausgesprochen findig. Sie waren wohl die ersten, die gemerkt haben, dass man durch Ausbau der Bremsen das Ladegewicht erhöhen kann, ohne das zulässige Gesamtgewicht zu überschreiten. Mittlerweile hat sich das bis nach Südeuropa herumgesprochen.