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Kolumne Brüssel verstehenGarantierte GroKo für Europa

Eric Bonse
Kolumne
von Eric Bonse

Lohnt es sich, am 25. Mai taktisch zu wählen? Die Antwort hängt, wie so oft, unmittelbar mit der deutschen Bundeskanzlerin zusammen.

Angela Merkel hat Brüssel genau im Blick. Bild: reuters

W en soll ich wählen? Knapp zwei Wochen vor der Europawahl am 25. Mai wird diese Frage langsam akut. Und das ZDF-Duell zwischen den Spitzenkandidaten der etablierten Parteien hat die Entscheidung nicht gerade erleichtert. Denn statt über den richtigen Kurs zu streiten, waren Schulz (SPD) und Juncker (EVP/CDU/CSU) auf Schmusekurs.

Doch was ist mit den Alternativen? Muss man Grün wählen, wenn man grüne Politik in Europa will – oder vielleicht doch lieber Schulz, weil nur der eine rotgrüne Mehrheit organisieren kann? Diese Frage eines Lesers lässt sich auch allgemeiner formulieren: Lohnt es sich eigentlich, taktisch zu wählen?

Um es direkt zu sagen: Nein, in Europa nicht. Aus zwei Gründen: Zum einen fehlt eine 5-Prozent-Hürde wie im Bundestag, das Bundesverfassungsgericht hat sogar die 3-Prozent-Hürde abgeschafft. Es fallen also keine Stimmen unter den Tisch, selbst Radikale haben eine Chance. Zum anderen herrscht im Europaparlament nicht das in der deutschen Politik übliche Lagerdenken. Die Abgeordneten sind keinem Fraktionszwang unterworfen, sondern können frei entscheiden. Alle Parteien kämpfen auf eigene Rechnung, niemand hat eine Koalition angekündigt. Auch die Grünen halten sich bedeckt.

Doch Vorsicht: Das heißt nicht, dass nach der Wahl am 25. Mai der Gewinner den Ton angibt und sich eine passende Mehrheit sucht. Weit gefehlt! Auch diesmal dürfte das ungeschriebene Gesetz gelten, dass sich der Wahlsieger um eine Große Koalition bemüht. Die regiert das EP nämlich schon seit Jahren.

Grüne, Linke und Piraten würden dabei außen vor bleiben. Schlimmer noch: Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) redet auch noch mit. Sie behält sich das letzte Wort bei der Nominierung des Kommissionspräsidenten vor – und tut noch dazu alles, um Schulz zu verhindern. Sogar in die Geschäftsordnung des Parlaments mischt sie sich ein. Selbst wenn es Schulz trotzdem gelingen sollte, die Europawahl für sich zu entscheiden, müsste er wahrscheinlich eine Koalition mit den Konservativen eingehen. Denn ohne die Merkel-Leute bekommt er kaum die für seine Wahl zum Kommissionschef nötige Mehrheit.

Für grüne oder gar linke Politik bleibt da wenig Platz. Taktisch wählen macht daher nur Sinn, wenn man auf jeden Fall den drohenden Komplettsieg des Merkel-Lagers verhindern will – und mit einer GroKo in Brüssel leben kann. Es wäre die Wahl des kleineren Übels.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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3 Kommentare

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  • Wenn taktisches Wählen in der BRD wegfallen sollte, dann würde man bestimmt entsetzt bei dem Ergebnis feststellen, wie viele Nazigedanken noch in deutschen Köpfen rumspinnen.

    Gut, dass die Wahl so unwichtig ist, dass eh nicht viele wählen gehen.

  • Wer das "kleinere Übel" sucht, hat das große Übel doch längst akzeptiert.

  • Die Wahlen werden so ausgehen, wie es sich die Merkel-Groko wünscht - das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche.

    Das hat bei den letzten beiden BTW's ja auch geklappt.

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