Kolumne Blicke: Nazis, Moschee, Paranoia

Teil 2: Die jüngsten Taten der Salafisten erinnern merkwürdigerweise an Ernst Jüngers Stoßtrupperlebnisse.

Ach, es gäbe hübsche Themen! Die Neuköllner „Maientage“ etwa: wie ich, obwohl seit beinah 40 Jahren Wiesn-geübt, von 26 Schuss (=10 €) die ersten sechs in die Wand setze – zum Glück trifft der Sohn dann die Sterne.

Und der müd-freundliche Blick der stahlgewittergebräunten Blondine, die nur ganz langsam die Geduld verliert, als die Kleinen sich nicht auf den zu wählenden Preis einigen können. Obwohl sie alle Zeit der Welt hat, denn der Rummel ist so friedlich wie die Westfront 1914–1918 an Weihnachten.

Sie ahnen es, ich werde hier und heute zu Ende bringen, was ich vor zwei Wochen ankündigte. In der Reihe „Werke und Korrespondenzen: Ernst Jünger im Dialog“ des Belleville Verlags ist gerade Nr. 11 erschienen, mit – neben literaturwissenschaftlicher Dutzendware (brauchen wir nicht eigentlich mehr Ingenieure? Und so?) – einem spannenden Beitrag: „Sie begann mit ’sehr verehrter‘ und schloß mit ’mein lieber …‘ ab. Die Korrespondenz zwischen Ernst Jünger und Ernst von Salomon“.

Klären wir zunächst das Grundsätzliche: Sowohl Jünger als von Salomon sind keine Autoren, die einen bedeutend klüger, schöner und heiterer machten. Dennoch gibt es von beiden jeweils ein Buch, das man durchgesehen haben sollte – zum Ganzlesen sind sie zu langweilig. Bei Jünger ist das „In Stahlgewittern“, die Erstfassung, bitte. Salomons Bestseller heißt „Der Fragebogen“. Die beiden korrespondierten Anfang der 1930er und nahmen den Briefwechsel dann erst nach dem Krieg wieder auf. Was daran liegen mag, dass Salomon in den beiden abgedruckten Vorkriegsbriefen Sätze schreibt wie: „Ich habe die ganze Zeit zweimal eine deutsche Zeitung gelesen und nicht eine Wort mit einem Juden gesprochen, kurz, ich habe mich blendend erholt.“ (1931) Da ging Jünger nicht mit. Aber widersprechen wollte er auch nicht. Er hat ja auch Hitler nicht widersprochen, fürs KZ war er dann doch zu feige.

Jünger mochte Salomons Buch „Die Geächteten“, in dem der Ich-Erzähler unter anderem seine Beteiligung am Attentat auf Walter Rathenau verarbeitete. Dafür – für das Attentat, nicht das Buch – fuhr er fünf Jahre ein.

„Das Attentat ist eins der besten Zeichen für die Schärfe des [deutschen, gestrichen] Instinkts, der den Fundamenten so nahe ist, daß ihn begründen zu wollen, nur eine Schwächung der Fundamente bedeuten kann.“ Einen solchen Jünger-Satz lesen und an die NSU denken – muss man da so sensibel sein wie ich? Glaube ich nicht.

Seit Beginn der 1990er Jahre und letztlich – das wissen die Ostler besser – schon zu DDR-Zeiten konnte jedem klar sein, dass sich jenseits der Elbe ein militanter Naziuntergrund bildete; und – da kommen wir zu Jünger – der Bezug nahm auf nationalrevolutionäre und nazistische, je nun, „Theorie“. Die herrschende Politk wollte vereinigungsbesoffen davon nichts wissen. Und die Polizei tat, was sie immer tut – es sei denn, es geht ums Foltern: Sie führte Befehle aus.

Die jüngsten Taten der messerstechenden Salafisten hingegen erinnern merkwürdigerweise an Jüngers Stoßtrupperlebnisse. Den „Pour le Mérite“ werden sie dafür aber höchstens von Allah bekommen.

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Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.

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