Kolumne Bitches in Baku #9: Albanischer Schmerz
Die Schweiz ist boring, Belgien langweilt und San Marino – komponiert von Ralf Siegel – ist Favoritin auf den allerletzten Platz. Und Albanien tut weh.
R oman Lob ist ja noch lange nicht wirklich dran in Baku. Aber andere: Dienstagabend müssen sie beim ersten Semifinale antreten.
Um es Uneingeweihten zu schildern: Für 18 Länder geht es am Abend – 21 Uhr auf Einsfestival – überhaupt darum, ins Finale am Samstag zu gelangen. Mit Montenegro fängt der Wettbewerb an, er endet mit den Zwillingen namens Jedward aus Irland.
Ästhetisch darf Folgendes erwartet werden: Montenegro bringt ein cooles Politstück, sehr nett; Island ein musicaleskes Dramolett, das sehr an tauendes Eis erinnert; Griechenland klingklongt bouzoukihaft; Lettland kommt mit einer schönen Melodie – und dann kreischt die Albanerin Rona Nishiu ein Lied, das sie „Suus“ nennt und von Schmerzen über die Kriege und die Gewalt im Gefolge der Neunziger Jahre auf dem Balkan handelt. Es ist ein Act, der tatsächlich gründlich nervt. Keine Melodie, sondern entblößend grell. Sie wird nicht gewinnen, aber mit ihrer Rastahochsteckfrisur ist sie ein Highlight!
taz-Redakteur, Jahrgang 1957, schreibt als Journalist und Buchautor („Wunder gibt es immer wieder“) über den ESC seit 1989. Er bloggt auch auf eurovision.de für die ARD.
Rumänien ist tanzbar, die Schweiz so boring, wie die Schweiz oft ist, im Post-U2-Style, Belgien langweilt gefühlt neun Minuten, Finnland fast auch, aber ich mag, dass diese einschläfernde Chanteuse schwedisch singt, Israel klingt frisch, San Marino, komponiert von Ralph Siegel, aber ist ins Ohr fräsend. Favoritin auf den allerletzten Platz. Danach Zypern mit einem Sommerschlager, schließlich Dänemark mit einer feinen jungen Dame, die wie Vanessa Amorosi singt, dann die russischen Omas, die einen Eurodiscoschlager singen und vermutlich frenetischen Applaus ernten werden.
Ungarn ist okay, Österreich eine verklemmte Sexphantasie zweier Jungspunde, die sich um wackelnde Hinterteile dreht, schließlich Moldau mit einem freundlichen Popsong und Irland mit den hochgegelten Blondzwillingen, die schon voriges Jahr in Düsseldorf ihr Land vertraten. Ich würde sagen, dass das hauptsächlich für Eleven und Kenner ein wunderbarer Abend wird.
Deutschland, ohnehin als wichtigster Gebührenzahler in der European Broadcasting Union gesetzt und frei von Versagensängsten, im Finale nicht mal antreten zu dürfen, darf nicht mitstimmen per Televoting.
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