Kito Nedoschaut sich in Berlins Galerien um
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Wer einmal auf dem Flohmarkt in alten Familienfotos gekramt hat, kennt die Mischung aus voyeuristischem Interesse und Langeweile, mit welcher man durch die zumeist profanen Aufnahmen eines fremden Lebens wühlt. Dies ist auch der erste Reflex beim Betrachten der neuen Bilder des Berliner Malers Dominik Sittig in der Galerie Nagel Draxler. Für „Memoriorama“ hat Sittig offensichtlich Familien- und Urlaubsfotografien als Vorlagen für seine teilweise großformatigen und „realistisch“ anmutenden Gemälde verwendet, in deren Titel er wiederum auf Ort und Zeitpunkt der zugrundeliegenden Fotografie zu verweisen scheint. Anders als beim Schnappschuss wartet allerdings in der Kunst das Versprechen auf Ewigkeit (bis 8. 9., Weydingerstr. 2-4, Di.–Sa. 11–18 Uhr).

Spuren der Erinnerung werden auch im Werk des aus Georgien stammenden Künstlers Andro Wekua umkreist. Als Kind verlor der 1977 in der Schwarzmeerküstenstadt Sochumi geborene Künstler seinen Vater in den Wirren des Bürgerkrieges und musste mit seiner Mutter und seinem Bruder in den Westen fliehen. Wekua arbeitet mit Fotografien im Collage-Verfahren, an dessen Ende eine roh wirkende Form von Gemälde steht. Dieser Ansatz findet sich auch in den Installationen des Künstlers, die seit jeher immer etwas Dunkles und Unheimliches umgibt. In der großen Halle der Galerie Sprüth Magers hat Wekua ein rechteckiges Bassin aufgebaut, in dessen Zentrum eine silberne, lebensgroße Gestalt in leicht gebeugter Haltung zu verharren scheint. An verschiedenen Stellen des Körpers finden sich technisch wirkende Schlitze, aus denen fortwährend Wasser rinnt (bis 8. 9., Oranienburger Str. 18, Di.–Sa., 11–18 Uhr).

Gemeinfreie Clipart-Strichmännchen, sogenannte „Screen Beans“ waren einst das Lumpenproletariat der MS-Office-Welt. Irgendwann waren sie verschwunden, niemand hat sie vermisst. In den bunten Kugelschreiberzeichnungen von Michael Franz tauchen sie nun unvermittelt wieder auf und wirken in ihrer überdrehten Gestenhaftigkeit wie ins Bild gewanderte Bildkommentare. Doch auch sie bringen keine Aufklärung in die rätselhafte Bildwelt des Künstlers, die sich um Gefühle, Management, Arbeitswelt, Bürokultur und Käfigleben zu drehen scheint. „The Organization Man“ heißt die Ausstellung bei Lars Friedrich. Auf einer dunklen Mauer leuchtet im Stil der Datumsbilder On Kawaras die Angabe „Feb. 5, 1974“ auf und die stilisierte Darstellung eines Labyrinths. Anderswo weist ein Herr im Anzug freundlich, aber bestimmt den Weg zur Tür (bis 14. 7., Kantstr. 154a, Do.–Sa. 13–18 Uhr).