Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Tourismus und die Agenda 2030
In der Reisebranche wird vollmundig Nachhaltigkeit propagiert. Die Interessen der Beschäftigten interessieren weitaus weniger.
T ourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, in Mecklenburg-Vorpommern wie auf den Malediven. In Deutschland steht die Branche für 2,9 Millionen Arbeitsplätze. Sie trägt hierzulande mehr zum Bruttoinlandsprodukt bei als Automobilindustrie oder Maschinenbau. 11 Millionen Deutsche reisen jährlich in Entwicklungsländer. Fast 7 Milliarden Euro davon tragen direkt zum Bruttoinlandsprodukt in den Entwicklungsländern bei, so eine Studie des Bundesverbands der deutschen Tourismuswirtschaft.
Die Welttourismusorganisation (UNWTO) fühlt sich der Agenda 2030, den Sustainable Development Zielen(SDGs), verpflichtet: „Die UNWTO arbeitet daran, die SDGs zu erreichen … Sie setzt besonders auf die Ziele 8, 12 und 14, die den Tourismus betreffen.“ Ziel 8 der von der UNWTO hervorgehobenen Ziele sind menschenwürdige Arbeit und wirtschaftliches Wachstum. Ziel 12 betrifft nachhaltige Produktionsbedingungen und nachhaltiges Konsumverhalten, Ziel 14 den Erhalt der natürlichen Ressourcen unter Wasser und damit auch der Strände.
Ziel 10 zur Bekämpfung der Ungleichheit wird leider nicht genannt. Die UNWTO nimmt die Agenda 2030 vor allem zum Anlass, die entwicklungsfördernde Wirkung des Tourismus zu betonen. Ein Selbstläufer, der nur gut gemanagt werden muss.
„Die UNWTO pusht unsere Anliegen nicht“, sagt auch Massimo Frattini von der internationalen Landwirtschafts-, Hotel-, Restaurant-, Café- und Genussmittelarbeiter-Gewerkschaften in Genf (IUL). Die Arbeitsverhältnisse im Tourismus seien häufig prekär. „Gewerkschaftliche Standards werden immer weiter abgebaut.“
Um den Tourismus im Sinne der Ziele 8 und 10, menschenwürdige Arbeitsverhältnisse und Abbau von Ungleichheit, zu verwirklichen, müssten die Unternehmen bei den Arbeitsbedingungen der Menschen vor Ort ansetzen. „Aber in der Regel geht es bei der viel propagierten Nachhaltigkeit immer um Umwelt, etwa um den Schutz der Tiere“, sagt Frattini, „aber nicht um die Interessen der dort arbeitenden Menschen.“
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