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Kolumne Aufgeschreckte CouchpotatoesWarum mich Airbnb nur noch nervt

Edith Kresta
Kolumne
von Edith Kresta

Voll im Trend und voll alternativ, dabei super geschäftstüchtig: Airbnb hebelt alle Standards der Hotelerie aus. Zum Kotzen.

So schön, wie aus dem Bilderbuch Foto: imago/Global images

L ovely, nice, zentral, trendy. Dazu Gastgeber, die im Handumdrehen zu Freunden werden und ihren Gästen aus aller Welt die versteckten Winkel ihres Viertels offenbaren. Die Online-Zimmervermittlung Airbnb verspricht von Kasachstan bis Trinidad höchst individuelle Übernachtungsmöglichkeiten. Begegnung mit Eingeborenen inklusive.

Ein Zimmer mit Einblick sozusagen, und Airbnb kassiert die Provision von bis zu 12 Prozent. Fast 250.000 Menschen eroberten so im letzten Jahr Berlin zwischen Neukölln und Prenzlauer Berg. Der Marktführer Airbnb hat in der deutschen Hauptstadt doppelt so viele Übernachtungsmöglichkeiten wie die Mitbewerber Wimdu, 9flats, fewo-direkt und e-domizil zusammengenommen.

Airbnb verkauft ein alternatives Lebensgefühl. Es ist der Star der Sharing-Economy, die vom Rasenmäher über das Auto bis hin zur Wohnung alles teilt: internetaffin, schnell, global, basisorientiert. Aber mir reicht’s: nicht weil Airbnb in einer Grauzone agiert und hinter dem trendigen Pop-up-Unternehmen milliardenschwere Unternehmen stecken, die Steuerhinterziehung und Zweckentfremdung von günstigem Wohnraum fördern.

Auch nicht, weil Airbnb nun von der Telekom promotet wird. Und nur ein bisschen, weil Airbnb die Rollkofferphobie im eigenen Viertel, im eigenen Haus schürt. Was mich unendlich anstrengt und abschreckt, ist die kalkulierte Freundlichkeit, diese Friede-Freude-Eierkuchen-ach-was-sind-wir-offen-Pseudofreundschaft. Ich fühle mich nach Selbstversuchen betrogen: um Ansprüche, Werte und vor allem um meine Privatsphäre.

Beispielsweise in Hameln, wo die gelangweilte Gattin des ewig reisenden Handelsvertreters mich jeden Abend mit dem Weinglas abfing, obwohl ich hundemüde war. Oder als in Madrid der Wohnungsschlüssel unter der Bastmatte deponiert war und allein die herumtollenden Wollmäuse keine Antwort auf die Warmwasserfunktion des Boilers geben konnten. Oder als Sandro und Jasmin aus Nantes mich als steif deutsch bewerteten, dabei war nur mein Rücken steif. Er schmerzt noch heute von der völlig durchgelegenen Matratze im Mädchenzimmer, das Jasmins Tochter gerade verlassen haben muss. Ihre Socken lagen noch unter dem Bett.

Klar bietet Airbnb vielen Menschen die Möglichkeit, schnelles Geld zu verdienen. Die einzige Qualitätsgarantie dabei sind die Bewertungen der Nutzer. Wenn die negativ ausfallen, wird die Sichtbarkeit des Inserats herabgesetzt. Schlecht für den Vermieter: Wenn der geschäftstüchtig ist, dann lächelt er ständig, gibt gute Tipps und starken Kaffee zum Frühstück.

Mit Freundschaft hat das nichts zu tun, es ist die verlogenste Durchökonomisierung der Begegnung, die Gästen und Gastgebern jede Eigenwilligkeit austreibt, weil sich alle permanent auf der Airbnb-Website beurteilen und abchecken. Ich will nicht bewertet werden. Ich will in Ruhe übernachten. Ich gehe ins Hotel. Das kommt mir inzwischen wie Fair Trade vor.

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Edith Kresta
Redakteurin
Schwerpunkte: Reise und Interkulturelles. Alttazzlerin mit Gang durch die Institutionen als Nachrichtenredakteurin, Korrespondentin und Seitenverantwortliche. Politologin und Germanistin mit immer noch großer Lust am Reisen.
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13 Kommentare

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  • Nur soviel zu alternativen Unterkunftmöglichkeiten...

    Es ist doch unglaublich, wie schnell es geht, daß jegliche neue Idee innerhalb von wenigen Jahren völlig kommerziellisiert und verraten und verkauft ist!

  • Im März wollte ich über airbnb ein Zimmer buchen. Allein das Buchungs-Procedere war so nervend, dass ich es schließlich aufgegeben haben. Mein Zeitaufwand betrug zirka 2 Stunden. Erst musste ich mir einen Zeitraum wählen, was nicht einfach war, da viele Termine schon vergeben waren. Ich meldete mich also an, ohne zu wissen, ob der von mir gewünschte Zeitraum noch frei war, denn zunächst verlangte airbnb, dass ich Ihnen den Zeitraum im Voraus via paypal bezahlte. So tat ich das also. Obwohl ich über ein nachverfolgbares Konto bezahlt hatte, sollte ich mich dann noch als existierende Person verifizieren. Man bot mir facebook an. Ich verifizierte mich über facebook. Airbnb griff die Daten all meiner facebook-Freunde ab, akzeptierte darauf hin aber facebook nicht als Quelle der Verifizierung.

     

    So wurde ich aufgefordert, mich mit Hilfe der Kamerafunktion in meinem PC zu fotografieren und dabei meinen Personalausweis hochzuhalten. An diesem Punkt gab ich entnervt auf und buchte ein Hotelzimmer über tiscover.

  • Frau Kresta fühlt sich um ihre Privatsphäre betrogen, weil sie für Geld in fremden Wohnungen übernachtet, in denen sie nicht versteht, wie der Warmwasserboiler funktioniert. Aha.

    Und was haben die Socken unterm Bett damit zu tun, dass Sandro und Jasmin sie steif fanden? Wenn Sandro und Jasmin gelogen und Frau Kresta positiver bewertet hätten, hätte das offenbar ihre Werte und Ansprüche zufriedenstellend bedient. Wie gruselig.

  • Bei der "Begegnung mit Eingeborenen" endeten die Reisenden früher nicht selten in deren Kochtöpfen. Der Trend geht vermutlich zunehmend wieder dahin zurück. Wie kommt das bloß?

  • Im März wollte ich über airbnb ein Zimmer buchen. Allein das Buchungs-Procedere war so nervend, dass ich es schließlich aufgegeben haben. Mein Zeitaufwand betrug zirka 2 Stunden. Erst musste ich mir einen Zeitraum wählen, was nicht einfach war, da viele Termine schon vergeben waren. Ich meldete mich also an, ohne zu wissen, ob der von mir gewünschte Zeitraum noch frei war, denn zunächst verlangte airbnb, dass ich Ihnen den Zeitraum im Voraus via paypal bezahlte. So tat ich das also. Obwohl ich über ein nachverfolgbares Konto bezahlt hatte, sollte ich mich dann noch als existierende Person verifizieren. Man bot mir facebook an. Ich verifizierte mich über facebook. Airbnb griff die Daten all meiner facebook-Freunde ab, akzeptierte darauf hin aber facebook nicht als Quelle der Verifizierung.

     

    So wurde ich aufgefordert, mich mit Hilfe der Kamerafunktion in meinem PC zu fotografieren und dabei meinen Personalausweis hochzuhalten. An diesem Punkt gab ich entnervt auf und buchte ein Hotelzimmer über tiscover.

  • Auch der Rest der Sharing-Economy ist genau so heuchlerisch. Schade, denn auf diese Weise werden an sich gute Ideen und Ansätze niedergeritten bzw. neoliberal vereinnahmt.

  • "Durchökonomisierung" trifft es gut und findet auch in anderen Lebensbereichen statt, wie z.B. Bildung oder marktkonforme Demokratie und TTIP.

     

    Wenn Demokratie und Grundrechte dann endlich wegökonomisiert sind, steht dem Fetisch des Wirtschaftswachstums nur noch die Umwelt im Wege... aber die wird dann sicher auch wegökonomisiert.

    • @vøid:

      Lieber ins Hotel. Da sind die Regeln klar, ich bezahle und bekomme dafür eine Dienstleistung. Das hält mich nicht davon ab, mit den Bediensteten aufrichtig freundlich statt verlogen freundschaftlich umzugehen.

    • @vøid:

      Keine Sorge, mit der Umwelt werden wir schon fertig.

  • Was zum Teufel hat sich denn Frau Kresta vorgestellt unter diesem airbnb- Modell? Facebook produziert doch auch keine echten Freunde.

    • @Wuff:

      doch, doch .... facebook produziert total voll echte freunde mit total voll tollen erlebnissen und ganz viel voll tollen selbstgekochten essensbildern

    • 6G
      65572 (Profil gelöscht)
      @Wuff:

      Ich denke Frau Kresta vorurteilsfrei in den Selbstversuch gegangen.

      Der einzige Vorwurf den man ihr machen kann ist, daß die Daten nur von einem Individuum stammen, die Untersuchung also weit entfernt von wissenschaftlichen Standards ist, was verzeihlich ist, da die Kolumne "Aufgeschreckte Couchpotatoes" nicht als wissenschaftliches Magazin bekannt ist.

    • @Wuff:

      seh ich auch so - ausserdem ist die Bewertungshysterie auch bie Hotels ect.schon voll im Gange