Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Das offene Tor zur arabischen Welt
Tunesien hat gewählt und die Islamisten abgestraft. Der Deutsche Reiseverband sieht nun wieder goldene Zeiten für Geschäfte an Tunesiens Stränden.
T unesien wieder auf Erfolgskurs“, schreibt der Deutsche Reiseverband (DRV) zu den Parlamentswahlen in Tunesien. Dass dort am letzten Sonntag die große Mehrheit säkulare Parteien wählte, ist ein Fortschritt durchaus im Sinne des Arabischen Frühlings. Blumig gesprochen: Die Frucht der Demokratie ist aufgegangen, auch wenn in den Nachbarländern die Knospen mit fundamentalistischer oder militärischer Gewalt brutal zertreten wurden.
Das unbedeutende Tunesien hat einen Standortvorteil, engagierte Frauen, wache Bürger, eine gebildete Jugend, starke Gewerkschaften. Und nun eine moderne Verfassung und eine demokratisch gewählte Regierung. Um bei der Diktion zu bleiben: ein leuchtender Stern im Meer der Dunkelheit und möglicherweise der Beweis, dass selbst Araber demokratiefähig sind.
„Für den Tourismus spielt eine stabile politische Lage eine wesentliche Rolle“, sagt der Reiseverband. Klar, wer macht schon Urlaub unter bewaffneten Salafisten und prüden Religiösen. 80 Prozent der Tunesienreisenden verbringen ihren Urlaub am Strand. Eine Ferienmaschinerie, die hoffentlich bald wieder auf Hochtouren läuft. Denn eine stabile politische Lage garantieren langfristig nur Arbeitsplätze und die wirtschaftlichen Perspektiven für viele.
Auch wenn der Tourismus – zweitwichtigster Wirtschaftsfaktor – wieder anzieht, es ist und bleibt ein Niedriglohnsektor. Zur Qualifizierung wollen die Verantwortlichen nun Luxusketten anlocken. Diese bringen möglicherweise mehr Geld ins Land, nicht unbedingt mehr Lohn. Eine Imagekorrektur durch Edelketten hilft der Marke Tunesien, die als Billigstdestination verschrien ist. Den Beschäfigten im Tourismus bietet das noch keine neuen Perspektiven. Die andere erklärte Strategie, den Öko- und Kulturtourismus zu fördern, könnte dazu beitragen, einen touristischen Mittelstand aufzubauen. Beispielsweise durch Subventionen in vernachlässigten Regionen.
Mit den Geldern der Ausreisesteuer, die seit Neustem bei Touristen erhoben wird, wäre dies finanzierbar. Der DRV sieht die Steuer als „kontraproduktiv für den Aufschwung“, also für die Geschäfte. Er sollte sie seinen Mitgliedern trotzdem ans Herz legen: als Solidaritätszuschlag. Damit das Tor zur arabischen Welt offen bleibt.
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