Kolumne Apocalypse Now: Ich möchte nicht alles richtig machen
Mach das Licht aus! Fahr kein Auto! Iss kein Fleisch! Agitation und Propaganda werden nicht besser, nur weil sie einer guten Sache dienen.
U m Klima soll es also gehen. Dieser Tage, da in Paris am Weltklima herumgeschraubt wird, sollen die KolumnistInnen mal zeigen, wie es um ihre ökologische Verfasstheit steht. Wie sie den gedanklichen Zusammenhang herzustellen in der Lage sind zwischen dem drohenden Untergang des Blauen Planeten und dem Kerosin-Ausstoß ihres Neuseeland-Flugs zum Beispiel. Denn untergehen werden wir alle, und Schuld daran tragen wir nicht zu knapp. Jede und jeder Einzelne.
Ich muss zugeben, dass derlei – also Agitation und Propaganda auch für die allerbeste Sache (die der ökologische Transformationsprozess zweifellos sein mag) –, dass derlei in mir heftigen Widerwillen weckt. Auch Widerstand. Als ideologisch ungefestigte Person tue ich dumme Dinge: zum Beispiel den Neustart-Knopf am PC drücken, um dann, den Ruhemodus antizipierend, feierabendlich gestimmt meinen Schreibtisch zu verlassen. Oder das Licht im Flur anlassen, obwohl ich im Wohnzimmer fernsehe. Oder einen Diesel fahren, weil er schön ist und schnell.
Ich könnte den Aus-Knopf drücken, das Licht löschen, das Auto abschaffen, ja. Ich könnte mehr Rad fahren, vegetarisch essen, Energiesparlampen kaufen. Aber danke, nein, ich möchte das nicht. Alles richtig zu machen erzeugt in mir das ungute Gefühl, mich in die Hände von unlustigen Besserwissern zu begeben. Leuten, die mir Tag für Tag klarzumachen versuchen, dass ich im Rahmen eines wie auch immer gearteten ökologischen Ablassverfahrens doch noch zu den Guten gehören könnte.
Die aber, zeige ich mich nicht einsichtig, leider nur ein Plätzchen im Höllensegment für mich bereithalten. Mein Rebellentum in Form von brennenden Lampen mit alten Glühlampen ist ja an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Glühbirnen als Ausweis persönlicher Risikobereitschaft – wie tief kann man sinken im 21. Jahrhundert?
Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.
Was in diesem Zusammenhang auch gar nicht funktioniert, ist Ironie. Als ich kürzlich im Café nebenan an der Theke auf meinen Kuhmilch-Cappuccino wartete, wurde ich Zeugin, wie die Kellnerin von einer Kundin in recht barschem Tonfall um Laugenbrezn angegangen wurde. Wie, die habe sie nicht?, insistierte die Kundin, sie sei Veganerin. Ob denn in diesem Etablissement rein gar nichts für Veganerinnen vorgehalten würde? Während die Kellnerin die Auslagen nach Veganem scannte, wandte ich mich an die Kundin und fragte sie: „Wie wäre es denn mit einem Ei-Baguette?“
Gut, ja, das war so hihi. Ei! Da hätte ich auch Formschinken vorschlagen können. Aber he, einen Witz wird man noch machen können, oder? Seit der Begegnung im Café weiß ich: Nein, kann man nicht. Die Bürgerin Veganerin drehte sich zu mir um, taxierte mich und duzte mich folgendermaßen an: „Glaubst du wirklich, ich esse das Menstruationsprodukt eines Huhns? Glaubst du das? Einfach mal ein bisschen nachdenken, ja?!“
Dann stapfte sie hinaus, bestieg ihr lichtloses Manufakturfahrrad und entschwand in jene Gefilde, wo der sozialökologische Transformationsprozess in vollem Gange ist und wo sich – das vor allem – eine einfache Veganerin nicht erklären muss.
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