Kolumne Apocalypse Now: Daunenjacken statt Bombenwesten
Dass einem Schmuddelwetter aufs Gemüt schlagen kann, ist ja in Ordnung. Aber schiebt doch bitte nicht den Terrorismus auf den Klimawandel.
G uten Abend, meine Damen und Herren. Der Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, ist heute Morgen von Terroristen ermordet worden. Er wurde Opfer eines Bombenanschlags in Bad Homburg.“ So beginnt die „Tagesschau“ am Abend des 30. November 1989 und endet mit: „Höchstwerte um +2, bei andauerndem Nebel um –2. Schwach windig. Die weiteren Aussichten: wenig Änderung.“ Genau 26 Jahre später beginnt die „Tagesschau“ vom 30. November mit dem Satz: „Einen schönen guten Morgen, meine Damen und Herren. In Paris beginnt am Vormittag der Weltklimagipfel. Nach den Anschlägen vom 13. November findet er unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt.“ Und endet: „Mit Regen geht es am Dienstag weiter. Immer noch windig, kaum Sonnenschein.“
Vor 26 Jahren war Nebel, heute Regen, damals war der Wind nur schwach, heute weht „Nils“, damals wurde in Bad Homburg aus sozialpolitischen Gründen gebombt, heute in Paris aus religionspolitischen. Unter totalitarismustheoretischen Verdacht kann man schon stellen, wer die RAF mit dem IS vergleicht. Der Historisierung des Wetters aber wirft das niemand vor.
Die Wetterexperten, die das laufende Jahr als das wärmste bisher aufgezeichnete und diesen Befund als ungut bewerten, stehen nicht im Ruf, alles auszublenden, was nicht zu ihrer Meistererzählung passt, sondern werden als Propheten eines Untergangs ernst genommen. Ein Zusammenhang zwischen Niederschlagsmengen, Temperaturabweichungen, zwischenmenschlicher Gewalt und bewaffneten Konflikten sei eindeutig herzustellen, behaupten Wissenschaftler.
Auf der Suche nach den Gründen für linken Terrorismus landeten Wissenschaftler früher im evangelischen Pfarrhaus oder machten Haarlänge, Sexpraktiken und geschädigte Hirnsubstanzen verantwortlich. Im Fall des islamistischen Terrors nun landen die Experten bei der Wettervorhersage. Hitler war gedopt, Baader handelte unter Drogen – und der IS unter Klimaeinfluss?
Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.
Sicher, wo nichts mehr gedeiht, gedeihen auch Verschwörungstheorien. Sicher, wo Bauern, deren Böden und Fischer, deren Seen vertrocknen, von ihrem Staat gar nicht, von Terrorbanden wie Boko Haram aber sehr gut geholfen wird, mag die Rekrutierung heiliger Krieger mit dem Klimawandel propagiert werden. Welchen Anteil aber der Klimawandel an Abaaouds grinsendem Wahnsinn trägt, ist mir so schleierhaft wie das Märchen über den leisen Krieg der zionistischen Weltherrschaft, der mit Erdbebenwaffen Tsunamis in Thailand oder Haiti auslöst.
Dass einem Schmuddelwetter aufs Gemüt schlagen kann,d’accord. Dass in Kirchen, Moscheen und Synagogen nicht mehr nur für den Frieden, sondern auch für das Klima gebetet wird, von mir aus. Ob in Zukunft statt „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder“ künftig „Spiel nicht mit dem Klimawandel, sing nicht seine Lieder“ gesungen werden wird? Solange daran nicht der Glaube geknüpft wird, man müsse nur das Klima retten, damit die Jungs und Mädchen in Paris und Brüssel wieder Daunenjacken statt Bombenwesten tragen, ist ja alles gut.
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