Kolumne American Pie: Moralische Fallhöhe
Robert Kraft, Eigner der New England Patriots, ist in einen Prostitutionsskandal verwickelt. Das ist auch für die NFL verheerend.
D ie suspekten Etablissements nennen sich „Massage Parlour“ oder „Day Spa“. Hunderte dieser als Wellness- und Massage-Salons getarnten Bordelle reihen sich auf entlang des Highway 1 an der Postkartenküste von Florida. Und der neuerdings berühmteste Laden liegt in der Kleinstadt Jupiter.
Kein Tag vergeht seit knapp zwei Wochen, dass das dortige „Asia Day Spa“ nicht in den Schlagzeilen auftauchen würde. Der Grund dafür ist zynischerweise weniger das Ausmaß der Prostitution oder das Netz von Menschenhändlern, das hinter dem dreckigen Business steht, sondern der prominenteste Kunde des „Asia Day Spa“ in Jupiter: Robert Kraft.
Denn der ist nicht nur Besitzer der New England Patriots, des aktuellen Super-Bowl-Siegers. Der 77-jährige Kraft war, bis er von einer von der Polizei installierten Überwachungskameras zwei Mal beim Bezahlen für sexuelle Dienstleistungen gefilmt wurde, auch das einflussreichste und respektierteste Mitglied der Eigentümer-Riege der National Football League (NFL), die wiederum das umsatzstärkste Sportunternehmen der Welt ist. Kraft gilt als Schatten-Boss der NFL, mächtiger noch als der nominelle Chef Roger Goodell.
Seinen Status hatte sich Kraft vor allem auch mit moralischer Autorität erarbeitet. Kraft unterstützt Dutzende karitative Einrichtungen und Initiativen, er golft mit Politikern und frühstückt mit TV-Promis. Mehr als 100 Millionen Dollar soll er bislang gespendet haben, er trägt diverse Ehrendoktorwürden. Die Patriots hat Kraft zur Vorzeige-Franchise der NFL geformt, ihr beispielloser Erfolg seit zwei Jahrzehnten gründet nicht zuletzt auf der Stabilität, die ihr Eigentümer garantiert.
Ein Freund Trumps
Unter den oft zerstrittenen Klubbesitzern gilt Kraft als ausgleichend. Obwohl er politisch der Demokratischen Partei nahesteht, ist er gut befreundet mit Präsident Trump. Dass ausgerechnet er, diese zentrale Figur der NFL, nun der Förderung der Prostitution und des Menschenhandels verdächtig ist, könnte sich zum noch nicht absehbaren Imageschaden für die Football-Entertainmentmaschinerie und ihren jährlichen Umsatz von 14 Milliarden Dollar auswachsen.
Am Montag teilte die Staatsanwaltschaft in Florida mit, dass Kraft – als einer von 25 Beschuldigten – offiziell angeklagt wird. Kraft hatte in einem Statement bereits erklärt, dass er „kategorisch bestreite“, in illegale Handlungen verwickelt gewesen zu sein. Eine schwierige Behauptung, denn Prostitution ist – wie in den meisten US-Bundesstaaten – in Florida illegal. Der erste Gerichtstermin für Kraft steht vermutlich im April an.
Schwerer allerdings wiegt der Vorwurf des Menschenhandels. Die Polizei schätzt, dass es mehr als 9.000 dieser illegalen Massagesalons im Land gibt, in denen vor allem Chinesinnen arbeiten, aber auch Frauen aus Korea, Thailand und Osteuropa. Sie haben traditionelle Bordelle abgelöst, weil sie den Anschein von Seriosität erwecken und leichter zugänglich sind – und so auch die Kleinstädte in der Provinz erobern konnten.
Dahinter steht eine Mafia, die die Frauen ins Land schleust, ihnen die Pässe abnimmt und ihr Leben kontrolliert. Organisiert wird diese moderne Form der Sklaverei von einem Netz aus Strohmännern und -frauen, das für die Polizei schwer zu durchdringen ist. Die eingeschüchterten Frauen, von Abschiebung bedroht und besorgt um ihre Familien in der Heimat, wollen meist nicht aussagen. Auch im aktuellen Fall in Florida deutet einiges darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft Probleme hat, den Menschenhandel nachzuweisen.
Gespannt auf Reaktionen
Zum Glück für Kraft, der sich noch nicht zu den Vorwürfen geäußert hat. Das Licht der Öffentlichkeit scheut er derweil nicht. So tauchte er bei Veranstaltungen im Vorfeld der Oscar-Verleihung auf.
Spannend wird sein, wie die NFL mit dem Sündenfall ihrer moralischen Instanz umgeht. Jim Irsay, Besitzer der Indianapolis Colts, wurde vor fünf Jahren für sechs Spiele suspendiert und musste eine halbe Million Dollar zahlen, weil er unter Drogeneinfluss Auto gefahren war. Kraft wäre nicht der erste Besitzer, der von der um ihr Image besorgten Liga gezwungen wird, seinen Klub zu verkaufen.
Im letzten Jahr musste Jerry Richardson die Carolina Panthers aufgeben, weil er Mitarbeiterinnen sexuell belästigt hatte. Vorstellbar ist aber auch ein Rückzug von Kraft. In der Vergangenheit hat er immer wieder Kollegen, am liebsten seinen Antipoden Jerry Jones, den Eigentümer der Dallas Cowboys, dafür kritisiert, sich „für größer zu halten als die Liga“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?