Kolumne American Pie: LeBron und die Unwucht unterm Korb
Sie sind die wohl größten Favoriten der Olympischen Spiele in London. Die US-Basketballer müssen Gold gewinnen – und das mit spektakulärem Spiel.
E s ist gar nicht so einfach, die Balance zu finden. Er soll ja Spaß machen, der Sport. Andererseits haben die US-amerikanischen Basketballer nicht wirklich etwas zu gewinnen bei den Olympischen Spielen in London, denn alles andere als Gold wäre eine Blamage.
Also teilen sich die Bilder, die von dem Team aus Las Vegas in die Welt gehen, in genau zwei Kategorien: zum einen Aufnahmen aus der Trainingshalle, in der die NBA-Profis zwischen den Einheiten lachen und scherzen, und so signalisieren: Wir sind nicht nur eine Ansammlung millionenschwerer Stars, sondern eine Mannschaft. Zum anderen strenge Mienen, die von Pressekonferenzen die Botschaft senden: Wir nehmen die Mission Goldmedaille ernst. Sehr ernst sogar.
Diese Botschaft scheint nötig. Denn seit die deutschen Dressurpferde und ihre Reiter ihre Vormachtstellung eingebüßt haben, dürfte es keinen olympischen Wettbewerb mehr geben, dessen Ausgang so vorhersehbar ist wie das Basketballturnier der Männer. Bestenfalls noch das der Frauen, wo die USA seit einer Halbfinal-Niederlage 1992 keine Partie auf olympischem Parkett mehr verloren haben.
Doch während die Frauen meist unter dem Radar der öffentlichen Aufmerksamkeit aufs oberste Treppchen spazieren, müssen die US-Männer noch eine zusätzliche Mission erfüllen: die NBA im Rest der Welt popularisieren. Dazu muss Team USA nicht nur gewinnen, sondern Basketball auch noch zelebrieren. Eine Aufgabe, an der mancher Nachfolger des legendären „Dream Team“ von 1992 gescheitert ist, nicht nur die Ausgabe von 2004, die Argentinien die Goldmedaille überlassen musste.
Solches Ungemach ist ab 28. Juli in der 12.000 Zuschauer fassenden, nagelneuen Basketball-Arena zu London nicht zu befürchten. Das liegt vor allem daran, dass weder Argentinien noch Frankreich, obwohl beide Mannschaften weiter mit NBA-Profis bestückt sind, noch so stark einzuschätzen sind wie zuletzt.
Etablierte Superstars und hungrige Talente
ist Autor der taz.
Allein Spanien um die beiden Gasol-Brüder Pau und Marc scheint in der Lage, den USA einigermaßen Paroli zu bieten. Aber nicht nur Jerry Colangelo, der Manager des Teams, glaubt, dass er eine gute Mischung gefunden hat zwischen etablierten Superstars wie Kobe Bryant und hungrigen Talenten wie James Harden vom NBA-Finalisten Oklahoma Thunder: „Das ist eine sehr vielseitige Mannschaft, die auch noch mehr Erfahrung hat als die von 2008.“
Oklahoma ist neben Harden auch noch durch den explosiven Aufbauspieler Russell Westbrook und Kevin Durant, den fleißigsten Punktesammler der besten Basketball-Liga der Welt, im Kader vertreten. NBA-Champion Miami Heat dagegen schickt, weil Dwayne Wade und Chris Bosh angeschlagen sind, nur einen einzigen Spieler nach London, aber dafür den wichtigsten: LeBron James soll nach seiner ersten NBA-Meisterschaft nun auch das US-Team zum Olympiasieg führen.
Aus dem Jahr 2008 besitzt er zwar schon eine Goldmedaille, aber damals teilte er sich noch mit Wade und Bryant die Führungsrolle. Wade fehlt diesmal, und Bryant wird bald 34 Jahre alt. Der 27-jährige James aber ist, nachdem er mit Miami seine erste NBA-Meisterschaft gewonnen hat, nicht nur auf der Höhe seines sportlichen Schaffens, sondern hat endlich bewiesen, dass er eine Mannschaft auch in prekären Situationen zum Sieg führen kann.
Deshalb wird es höchstwahrscheinlich nicht ins Gewicht fallen, dass der amerikanische Kader eine gewisse Unwucht aufweist. Mit Tyson Chandler steht nur ein einziger Center im Team, weil auch Dwight Howard verletzt ist. Doch gerade dieses aus der Not geborene Ungleichgewicht könnte die Gegner vor Probleme stellen, wenn kleinere, aber wendigere Spieler unter dem Korb eingesetzt werden.
Auch LeBron James wird dann hin und wieder die Center-Position besetzen. Der momentan wohl beste Basketballspieler der Welt ist überzeugt: „Ich glaube, Größe ist gar nicht so wichtig.“ Wichtiger ist es, die Balance zu finden.
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