Kolumne American Pie: Das Stigma der Streber
Die Teams der Uni Caltech stellen ständig neue Negativrekorde auf. Dafür hat die Hochschule 31 Nobelpreisträger hervorgebracht.
V erlieren ist nicht schön. Es kann aber leicht zur Gewohnheit werden. Vor allem, wenn man für das California Institute for Technology antritt. Die Universität ist vor den Toren von Los Angeles im schicken Pasadena beheimatet und zählte zu den besten in den USA. Zumindest was Forschung und Lehre angeht. Im Sport allerdings, der an amerikanischen Hochschulen eine wichtige Rolle spielt, gibt es traditionell kaum ein College, das schlechter ist als Caltech.
Die Beavers, wie die Caltech-Teams genannt werden, fahren regelmäßig neue Rekorde ein. Allerdings eher solche der bitteren, unrühmlichen Art. Anfang Februar gelang der Baseball-Mannschaft ein 9:7-Sieg gegen Pacifica. „Nach dem Spiel waren alle ganz ruhig“, sagte Trainer Matthew Mark, „es schien fast so, als hätten meine Spieler so etwas schon einmal erlebt.“ Hatten sie aber definitiv nicht: Der Sieg war der erste nach 228 Pleiten in Folge. Eine Niederlagenserie, die nahezu zehn lange Jahre angedauert hatte. Der Erfolg war dann auch nur ein einmaliger Ausrutscher: Die drei Partien, die seitdem stattfanden, gingen wieder in Gänze verloren, die aufgeflackerte Siegermentalität war nicht von Dauer.
Aber nicht nur die Baseballspieler glänzen mit solch epischen Durststrecken. Obwohl die Teams aus Pasadena nur in der Division III, der schlechtesten Liga im College-Sport, antreten, bringen sie nicht viel zustande. Die Caltech-Basketballer hatten sogar 310 Spiele hintereinander verloren, als im Februar 2011 das Spiel gegen Occidental kurz vor Schluss unentschieden stand.
Ryan Elmquist stand an der Freiwurflinie. Er hatte zu diesem Zeitpunkt zwar schon seinen Abschluss in Computerwissenschaften und einen lukrativen Job bei Google in der Tasche, aber stand nun, erinnerte er sich anschließend, vor der „größten Herausforderung meines Lebens“. Elmquist traf, die Beavers gewannen 46:45 und die 26 Jahre dauernde Serie ohne Sieg war Geschichte.
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Eher bescheiden wirken dagegen die Pleitenserien der Kommilitoninnen: Die Volleyballerinnen blieben einmal 56 Spiele lang ohne Sieg, die Basketballerinnen verloren bloß 50 Mal. Auch in obskuren Randsportarten schlagen sich die Beavers gar nicht schlecht: Die Tischtennisspielerinnen qualifizieren sich immer mal wieder für die Meisterschaftsrunde und die Fechter treten sogar in der Division I an, der ersten Liga des College-Sports.
Ungeschlagene Footballer
Allein die Football-Spieler wollen sich nicht einreihen in diese beeindruckend katastrophale Bilanz. Auf dem Campus sind T-Shirts zu kaufen, auf denen steht: „Caltech-Football – ungeschlagen seit 1993“. Das liegt allerdings vor allem daran, dass Caltech seit 1993 keine Football-Mannschaft mehr stellt. In Pasadena ist anderes wichtiger, vor allem die Wissenschaft.
31 Nobelpreisgewinner hat die Uni hervorgebracht, aber keinen einzigen Basketballspieler, der es in die NBA geschafft hat. Kein Wunder: Andere Universitäten finanzieren mit Dollarmillionen aus TV-Geldern Spielstätten und Trainingsgelände, die luxuriöser sind als bei manchem Profi-Klub, und locken gute Sportler mit Stipendien und leichten Aufnahmeprüfungen.
Caltech dagegen nimmt keine Studenten an, deren Highschool-Abschluss nicht nur aus Einsen besteht. Wenn im März wieder das große Turnier um den nationalen Basketball-Titel beginnt und die sogenannte „March Madness“ ausbricht, werden wieder Zehntausende in die Hallen strömen und Millionen vor dem Fernseher sitzen. Beim ersten Sieg der Caltech-Baseballer seit fast zehn Jahren waren genau 87 Zuschauer dabei.
Wenn Caltech-Teams gewinnen wollen, sind sie deshalb bisweilen auf wissenschaftliche Hilfe angewiesen. Bei einem Football-Spiel 1984 verwandelte sich eine Niederlage gegen das Massachusetts Institute of Technology, eine andere Elite-Uni, urplötzlich in einen souveränen 38:9-Sieg: Caltech-Studenten hatten per Fernbedienung die Anzeigetafel im Stadion gehackt.
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