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Kolume Press-SchlagÜberforderte Funktionäre

15 von 18 Spielern des FC Ostelbien Dornburg schätzt der Verfassungsschutz als Neonazis ein. Der sachsen-anhaltinische Verband wirkt verzagt.

Ziemlich braun: Wappen vom FC Ostelbien Dornburg Foto: dpa

Sie wollen ja nur spielen, die Neonazikicker vom FC Ostelbien Dornburg! Bis vor Kurzem hat sich der Fußballverband Sachsen-Anhalt (FSA) auf diese ängstliche Position zurückgezogen. Zwar werden gar 15 von 18 Spielern – wie jüngste Ermittlungen bezeugen – vom Landesverfassungsschutz als Rechtsextremisten eingestuft, aber der Verband hat sich nach einem gescheiterten Verbotsantrag im Jahr 2011 dem Urteil der Richter lammfromm gebeugt, ohne in Berufung zu gehen oder weitere juristische Anstrengungen zu unternehmen.

Man habe keine Handhabe hieß es in den Jahren danach, wenn man die Funktionäre auf die Neonazivereinigung in Fußballtrikots ansprach. Alle würden sich an die Regeln halten. Der FSA beschränkt sein Blickfeld auf das Fußballfeld. Über den eigenen Tellerrand blickt man nicht. In dieser Woche berichteten einige Medien, der FSA wolle auf einer Pressekonferenz bekannt geben, dass man nun doch wieder ein Ausschlussverfahren in Gang setzen möchte. Allerdings wirken die Funktionäre auch in diesen Tagen eher getrieben als entschlossen. Denn der Verband vertagte vorerst die Entscheidung auf nächsten Dienstag. Man wolle sich, hieß es, „genug Zeit lassen“.

Zeit hat der Verband in den letzten Jahren unverantwortlich viel verstreichen lassen. Weil die Dornburger nicht plakativ mit Hakenkreuzfahnen auf dem Rasen aufmarschierten, konstatierte man beim FSA stets, der Klub würde den Fußball nicht für politische Zwecke instrumentalisieren. Dass der Verein aber über Jahre im Jerichower Land eine Klima der Angst auf dem Spielfeld verbreitete, dem selbst die eingeschüchterten Schiedsrichter sich nicht zu widersetzen trauten, entging den Verantwortlichen. Mittlerweile boykottieren 59 von 65 Schiedsrichtern die Partien des FC Ostelbien. Wo die Dornburger auftauchten, wurde nach ihren Regeln gespielt. Tätlichkeiten wurden nicht geahndet, eine Spielsperre wurde ignoriert.

Die Fußballfunktionäre waren ob dieser Machtübernahme völlig überfordert. Bei ihnen habe sich ja keiner beklagt, klagten sie. Wie das Prinzip der Einschüchterung funktioniert, wollen sie bis heute nicht verstehen. Dabei wussten die Verantwortlichen vom Problem der Schiedsrichterbesetzung bei den Dornburgspielen.

Der FSA wird sich nun dem durch die öffentliche Berichterstattung erzeugten Druck wohl beugen und ein Ausschlussverfahren der Dornburger anstreben. Wenn man aber vor Gericht erneut scheitern sollte, ist der Verband seine Verantwortung nicht los. Anders als in der Vergangenheit sollte man sich künftig hinter die protestierenden Vereine und Schiedsrichter stellen. Der Boykott der Partien gegen Dornburg, wie ihn bereits jetzt einige Klubs angekündigt haben, wäre unterstützenswert.

Wenn der Verein dadurch Punkte und Aufstiege geschenkt bekommt, ist das nur gut. Es würde die Sensibilität für den Versuch der Neonazis, sich im deutschen Alltagsleben zu etablieren, erhöhen. Und sollte der Fall FC Ostelbien sportlich nach oben durchgereicht werden, würde auch stärkerer Handlungsdruck auf die politischen Repräsentanten ausgeübt. Sport und Politik sollten sich aktiv gegenseitig mit in Haftung nehmen, statt sich aus der Verantwortung zu stehlen.

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3 Kommentare

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  • Der Taz Artikel hier stammt vom 7.8.2015.

     

    Neues Deutschland, 5.8. 2015:

     

    "Landesportbund will Nazi-Verein ausschließen":

    http://www.neues-deutschland.de/artikel/980181.landesportbund-will-nazi-verein-ausschliessen.html

     

    Mitteldeutsche Zeitung, 6.8.2015:

     

    "FC Ostelbien Dornburg wird ausgeschlossen":

    http://www.mz-web.de/fussball/landesfussballverband-sachsen-anhalt-fc-ostelbien-dornburg-wird-ausgeschlossen,20642322,31405758.html

  • Wie das Prinzip der Einschüchterung (nicht) funktioniert, wollen (oder können?) nicht nur die Fußballfunktionäre vom Landesverband Sachsen-Anhalt bis heute nicht verstehen.

     

    Überforderung ist für alle "Repräsentanten" eine Gefahr. Auch für die, die "was mit Medien machen". Wenn nämlich irgendwas nicht so ist, wie es eigentlich sein sollte, dann glauben solche Leute gern, sie müssten "Druck" aufbauen, statt gewisse Werte vorzuleben. Dass "Druck" noch niemanden verbessert hat, ist ihnen ganz egal. Die "Ochsentour" ist schlicht zu stressig.

     

    Leider ist das mit dem "Druck" so eine Sache. Er wirkt nicht immer wie erhofft. Moderne Pädagogen wissen das. Ein Teil der "Gedrückten" beugt sich brav, ein anderer tut es nicht. Der erste wird davon nicht klüger, der zweite wehrt sich gar. So bleibt dann alles, wie es immer war – oder wird sogar noch ein wenig schlimmer.

     

    Der FSA war offensichtlich froh, dass der "Druck" des Gerichts stärker war als der der öffentlichen Berichterstattung. Wieso? Egal! Dabei ist das nicht nur sehr menschlich, sondern auch nicht nur ganz schlecht. Wo kämen wir denn schließlich hin, wenn allein die Größe des Drucks über seinen Erfolg entscheiden würde? Da hin, wo vor 70 Jahren Hiroshima war.

     

    Nein, die Medien werden ihre Verantwortung nicht los, wenn der FSA sich ihnen beugt. Anders als in der Vergangenheit sollte sie sich künftig hinter solche Vereine und Schiedsrichter stellen, die richtig handeln. Sport, Politik und Medien sollten sich aktiv gegenseitig in Haftung nehmen, statt sich aus der Verantwortung zu stehlen. Was nützt die schönste Pressefreiheit, wenn sie nicht genutzt wird?

     

    Aber Achtung: Wenn Verein Punkte und Aufstiege "geschenkt" bekämen durch eventuelle Boykott-Maßnahmen, wäre das keineswegs "nur gut". Es würde nicht nur die allgemeine "Sensibilität" erhöhen, sondern auch die der Nazis. Und die lassen ihre Wut ganz gern an Schutzlosen aus. Sind die dann selber Schuld?

  • Der eigentliche Skandal ist doch, dass der FSA offensichtlich seine eigenen Regeln vor lauter Angst nicht durchsetzt. Wie hier kurz anklingt, waren Spieler des Vereins gesperrt und traten trotzdem an - Das würde schon mal automatisch den Verlust des Spiels nach sich ziehen. Die zahlreiche Tätlichkeiten, Schlägereien und ähnliches, wurden allesamt nicht geahndet. Wenn normalerweise ein Spieler einen Schiedsrichter bedroht darf er für den Rest der Saison zuschauen. Nur bei den Nazikickern ist das nicht geschehen?

    Warum nicht?

     

    Dies wäre das allereinfachste Mittel, den Verein auszutrocknen. Weil wenn man die Regeln auch nur halbwegs einhaölten würde, könnte dieser Verein schon lange keine 11 Spieler mehr aufstellen. Der FSA macht sich lächerlich.