Kolume Heult doch!: Problemeltern in der Kita-Garderobe
Nasenbisse sind doch eigentlich kein Ding. Oder doch? Blöd, wenn das Problemkind in der Kita plötzlich ausgerechnet das eigene ist.
Zweitgeborene lehren einen Demut. Mein großer Sohn war ein sehr liebes Kleinkind. Wenn andere Eltern von Schreiattacken im Supermarkt erzählten, nickte ich wissend mit dem Kopf – aber eigentlich hatte ich keine Ahnung. Mein Kind aß Gemüse, und biss seine Kita-Freunde nicht in die Nase (er wurde gebissen, einmal, in den Arm). Ich dachte, wer das mit dem Gemüse nicht geregelt bekommt, ist bloß nicht konsequent. Beißen? „Passiert halt, kein Ding“, sagte ich, und dachte: Problemkind! Bekommt wahrscheinlich zu wenig vorgelesen zu Hause!
Mein kleiner Sohn bekommt sehr viele Bücher vorgelesen. Er isst kein Gemüse und neulich hat er in seiner Kita die kleine Isolde (die ein bisschen anders heißt) in die Nase gebissen. Es hat ein bisschen geblutet, die Nase war aber noch dran. „Unser Kind hat übrigens gebissen“, sagte mein Mann am Abend. „Passiert halt“, sagte ich, und dachte: „Kein Ding, oder?“
Zwei Tage später kam eine Mail, die uns unaufgefordert über den Genesungsstand von Isoldes Nase unterrichtete: Die Nase sei gut verheilt, man sehe auch gar nichts mehr. Ich schrieb zurück, dass uns das selbstverständlich sehr freue. Beste Grüße, schönen Abend noch.
Wiederum eine Woche später reden in der Kita-Garderobe zu viele Eltern zugleich ihren Kindern gut zu, doch „jetzt mal die Hausschuhe anzuziehen, hm, na los Schatz, das kannst du doch schon“. – „Das ist übrigens der Junge, der Isolde in die Nase gebissen hat!“, tönt es da plötzlich in meinem Rücken, als ich der morgendlichen Garderobenhölle schon fast wieder, Kind an der einen Hand, Brotdose in der anderen, Richtung Frühstücksraum entflohen bin. Fünf Elternköpfe drehen sich in meine Richtung, ich drehe mich um. Okay, denke ich, offenbar haben wir hier doch ein Problemkind. Zur Abwechslung ist es meins.
Also, sagt Isoldes Mutter. Sie könne ja verstehen, wenn Kinder beißen. Ja klar, denke ich. Aber! Aber warum wir uns denn nicht unaufgefordert nach dem Gesundheitszustand von Isoldes Nase erkundigt hätten?!
Mir sind Eltern unsympathisch, die ihre Kinder ausgerechnet morgens in der überfüllten Kita-Garderobe ohne Rücksicht auf meine Nerven zur Selbständigkeit erziehen wollen. Wenn sie dabei auch noch ihre Mit-Eltern erziehen wollen, werden sie mir gleich noch viel unsympathischer. Ich überlege, was ich davon laut sagen kann, wenn ich noch pünktlich zur Arbeit kommen will. „Tja, dann hätten wir das ja geklärt“, sage ich schließlich.
Zu Hause lesen ich meinem Problemkind ein Buch vor. Es geht darin um zwei Monster, die sich furchtbar streiten, ob nun „der Tag geht“ oder „die Nacht kommt“, und die sich dann wieder vertragen. Ist ja schließlich kein Ding.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!