Kohleproteste in der Lausitz: Stürmung mit Nachhall
Die Polizei ermittelt gegen hunderte Blockierer. Zumeist erfolglos: Viele von ihnen konnten nicht eindeutig identifiziert werden.
Der Energiekonzern hatte am Wochenende vorsorglich den Betrieb im brandenburgischen Tagebau Welzow-Süd eingestellt, nachdem KlimaaktivistInnen angekündigt hatten, das Gelände stürmen zu wollen.
Über 3.000 AktivistInnen aus Deutschland und verschiedenen europäischen Ländern hatten von Freitag bis Sonntag Großgeräte im Braunkohletagebau besetzt und mit Gleisblockaden das Kraftwerk „Schwarze Pumpe“ über 24 Stunden lang von der Kohlezufuhr abgeschnitten. Daraufhin musste die Leistung des Kraftwerks empfindlich gedrosselt werden. Das Bündnis „Ende Gelände“ feierte die Aktion als Erfolg. Ein Sprecher der Kampagnenorganisation Campact sagte, die Braunkohle-Bewegung sei „das neue Gorleben“.
Laut Polizei Cottbus, die den Einsatz geführt hatte, ist es im Umfeld der Proteste zu zahlreichen Straftaten gekommen, darunter zu Sachbeschädigungen, Hausfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Störung öffentlicher Betriebe.
„Ohne Braunkohle keine Chance“
Die Polizei hatte den Blockaden zwei Tage lang weitgehend zugeschaut und war einer auffällig liberalen Rechtsauslegung der Staatsanwaltschaft Cottbus gefolgt. Diese hatte zunächst befunden, dass es sich bei Tagebaubesetzung und Schienenblockaden weder um Hausfriedensbruch noch um Nötigung handele, weil der Tagebau nicht umzäunt sei und Vattenfall im Vorfeld den Betrieb auf eigene Faust eingestellt habe.
Die Polizei griff erst ein, als am Samstagabend Hunderte Kohlegegner ein Kraftwerk stürmten. Hier hielt die Polizei 130 Personen fest und eröffnete Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs. Gegen 38 Personen wurden Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung an den Gleisen und gefährlichem Eingriff in den Bahnverkehr eröffnet. Weitere 163 Personen erhielten Anzeigen, ebenfalls wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr sowie Hausfriedensbruch.
Dierk Homeyer, CDU
Ob die Ermittlungsverfahren jedoch zu Verurteilungen führen können, ist fraglich. Die meisten der BlockiererInnen hatten keine Ausweise dabei und konnten laut eigenen Angaben nur unzureichend erkennungsdienstlich behandelt werden. Wiederholt ging die Polizei am Wochenende auch gegen Rechtsextreme vor, die AktivistInnen bedroht und attackiert hatten. Unter anderem wurden dabei Quarzsandhandschuhe und Messer beschlagnahmt.
Für politische Debatten sorgten die Proteste am Dienstag im parlamentarischen Bereich. Kritik an der Kraftwerkserstürmung, die auch unter AktivistInnen umstritten war, kam unter anderem von der Linksfraktion Brandenburg und den Grünen. Dierk Homeyer, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU Brandenburg, sagte der taz: „Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie Rechtsbrecher und Ideologen die Lebensleistung der Lausitzer in den Dreck treten. Ohne Braunkohle hat die Energiewende keine Chance.“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Überraschung bei U18-Wahl
Die Linke ist stärkste Kraft
Krisentreffen nach Sicherheitskonferenz
Macron sortiert seine Truppen
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Ukraine-Verhandlungen in Saudi-Arabien
Wege und Irrwege aus München
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?