Kohlekraftwerke in Deutschland: UN fordern Baustopp
Deutschland erreiche sein Klimaziel nicht, wenn es 25 neue Kohlekraftwerke bauen lässt, so die Kritik des Leiters des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer.
![](https://taz.de/picture/408953/14/Kohlekraft_f.jpg)
Deutschland hält beim Klimaschutz nicht, was es verspricht. Das monieren die Vereinten Nationen. Der Leiter des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, sagte am Rande einer Klimakonferenz im afrikanischen Tunis der taz: "Ich war sehr beeindruckt, dass sich Deutschland vorgenommen hat, die Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren." Doch nun frage er sich "wie dieses Ziel erreicht werden soll, wenn die Regierung 25 Kohlekraftwerke bauen lässt."
Erst am vergangenen Freitag hat die Stadt Hamburg mit Vattenfall den Bau eines neuen Kohlekraftwerks in Moorburg vereinbart. Auch andere Konzerne planen neue Anlagen. Dabei gilt die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen als ineffizient, weltweit ist sie für etwa 25 Prozent des CO2-Ausstoßes verantwortlich. Die Bundesregierung verhindert die klimabelastende Energiegewinnung aber nicht. Trotzdem rühmt sich Deutschland gerne als Klimaschutz-Vorreiter. Durch die Rüge der Vereinten Nationen wird diese Rolle offen in Frage gestellt. Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC, so meint Yvo de Boer, lasse keinen Zweifel mehr daran, dass schnell gehandelt werden müsse, um die Erderwärmung einzudämmen. Das hochrangige IPCC-Gremium geht im schlimmsten Fall von einem Hitzeschub von 6,4 Grad Celsius aus. Die Meere würden dann weite Teile der Küsten überfluten.
Europa komme beim Klimaschutz eine entscheidende Rolle zu, sagt der UN-Experte. De Boer resümiert: "Wenn die Europäische Union den Anteil erneuerbarer Energien wie geplant bis 2020 auf 20 Prozent steigern will, dann dürfen in der EU ab sofort nur noch Kraftwerke mit erneuerbarer Energie gebaut werden." Es sei nicht zu erwarten, dass Energie aus Kohle in absehbarer Zeit sauber werde. Die Energiekonzerne erklären zwar, dass sie die Treibhausgase aus ihren Kraftwerken künftig abfangen und unter der Erde deponieren wollen. De Boer jedoch glaubt nicht daran, dass sich diese Technik - CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) genannt - durchsetzt. Sie werde mit 30 bis 50 Euro pro Tonne CO2 so teuer sein, dass sie nicht wirtschaftlich sei.
Auch Andree Böhling, Klimaexperte von Greenpeace, kritisiert, dass die schwarz-rote Koalition zu wenig gegen CO2-Schleudern tue. "Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) verfehlen ihre Klima-Ziele", sagte er am Montag bei der Vorstellung einer Studie des Aachener Ingenieurbüros EUTech. Das Bundeskabinett habe im Sommer zwar ein Klimapaket verabschiedet. Diese 29 Maßnahmen gingen aber von geschönten Zahlen aus - und sorgten keineswegs für die angekündigten CO2-Einsparungen. Laut Studie reduziert sich der CO2-Ausstoß durch das Klimapaket allenfalls um 30 Prozent statt um 40. Die Regierung überschätze sich, etwa beim Stromsparen. Tobias Dünow, Sprecher von Umweltminister Gabriel, widerspricht: "Wir verabschieden am 5. Dezember als erstes Land ein Klimapaket, natürlich ist Deutschland Vorreiter."
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