piwik no script img

Kohle-Lobby und PresseErfolgreich Druck gemacht

Die Bergbau-Gewerkschaft drohte dem „Kölner Stadtanzeiger“. Seitdem berichtet der fast nur noch positiv über Braunkohle.

Pro-Braunkohle-Demo am 25. April in Berlin. Foto: dpa

Dass enttäuschte Leser mit der Kündigung ihres Abonnements drohen, ist für Zeitungsredaktionen nichts Ungewöhnliches. Beim Verlag des Kölner Stadtanzeigers gingen Anfang Mai allerdings gleich 61 solche Kündigungsdrohungen auf einmal ein – zusammen mit einem empörten Schreiben von Norbert Pohlmann, Betriebsratsvorsitzender im Tagebau-Technikzentrum des Stromkonzerns RWE und Mitglied im Landesvorstand der Energiegewerkschaft IG BCE.

In dem Brief, der der taz vorliegt, beklagte dieser die „unfaire Berichterstattung“ über das Thema Braunkohle; besonders störte ihn, dass Ende April ausführlicher über eine Menschenkette von Tagebaugegnern berichtet wurde als über eine Pro-Braunkohle-Demonstration der Gewerkschaft. Ultimativ forderte Pohlmann ein „kurzfristiges Gespräch“ der Verlagsleitung mit einer Delegation des Betriebsrats.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer ist empört: „Dass ein Betriebsratsvorsitzender von RWE eine so dreiste Erpressung versucht, zeigt, wie blank die Nerven bei der Kohlelobby liegen.“ Pohlmann selbst will mit der taz nicht darüber sprechen, ob sein Brief noch als besonders nachdrückliche Leser-Rückmeldung gemeint war oder eher als Nötigungsversuch zu sehen ist. Eins war das Schreiben aber auf jeden Fall: erfolgreich.

„Es hat Gespräche zwischen der Chefredaktion und den Betroffenen gegeben, in denen alle Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt werden konnten“, sagt Björn Schmidt, der Sprecher der Verlagsgruppe M. DuMont Schauburg, in der der Kölner Stadtanzeiger erscheint. Zu den angedrohten Abokündigungen sei es daher nicht gekommen. Was genau bei dem Treffen besprochen wurde, dazu will sich die Chefredaktion nicht äußern.

Interview ohne kritische Nachfragen

Doch aus dem Verlag ist zu hören, dass bei Berichten zum Thema Kohle anschließend Nervosität herrschte. Und auch wenn der Verlag jede Rücksichtnahme bestreitet – in der Zeitung ist leicht zu sehen, dass die Positionen der Kohlegewerkschaft nach dem Treffen ausgiebig berücksichtigt wurden.

So druckte der Stadtanzeiger ein Interview mit dem Verfasser des Beschwerdebriefs, der es zuvor allenfalls als Leserbriefschreiber in die Zeitung geschafft hatte. RWE-Betriebsrat Pohlmann darf unter der Überschrift „Der Strompreis würde drastisch steigen“ ohne kritische Nachfragen ausbreiten, wie die von seiner Gewerkschaft bekämpfte Sonderabgabe für alte Braunkohlekraftwerke, die SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel geplant hatte, angeblich die Industrie und die Verbraucher belastet.

Kritische Berichte oder Kommentare zur Braunkohle fanden hingegen kaum noch den Weg ins Blatt – obwohl das Hauptstadtbüro des Verlags, das neben dem Stadtanzeiger auch die Berliner Zeitung, die Frankfurter Rundschau und die Mitteldeutsche Zeitung beliefert, viele Texte zum Thema anbot, wie ein Blick ins Archiv zeigt.

Egal ob sich die Stadtwerke für die geplante Kohleabgabe aussprachen, Kommunalpolitiker das Vorgehen gegen die Braunkohle unterstützten oder Wissenschaftler das Konzept von Wirtschaftsminister Gabriel lobten: Die anderen Zeitungen der Verlagsgruppe berichteten, der Kölner Stadtanzeiger verzichtete.

Auffallend positive Kommentare

Besonders auffällig sind die Kommentare: Im Archiv ist zu sehen, dass der Stadtanzeiger viele Angebote seines Berliner Büros ausschlug. Stattdessen gab es Kommentare aus der Kölner Redaktion, etwa vom stellvertretenden Chefredakteur Lutz Feierabend. Der hatte als Luftfahrtexperte zuvor zwar keinen einzigen Text zum Thema Energiepolitik geschrieben. Doch nach dem Protest der Gewerkschaft kommentierte er plötzlich, die Politik müsse beim „politischen Geschacher“ um die Braunkohle „die Menschen ernst nehmen, die von dieser Klimapolitik betroffen sind“.

Schöner hätte die IG BCE es auch nicht ausdrücken können.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Passend dazu: www.klimaretter.in...eg-vereitelt-wurde

    Wie der Kohleausstieg vereitelt wurde

    Um die Klimaziele zu erreichen, wollte der SPD-Wirtschaftsminister Gabriel mit Unterstützung der Kanzlerin den Kohleausstieg einleiten. Keine zwölf Wochen dauerte es, bis beide vor der Kohleindustrie einknickten. Ein Musterbeispiel für die Macht der Lobbys in der Politik. Teil 2 unserer Serie zur Klimabilanz der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Recherchebüro Correctiv.

  • Schade ist, dass die hier erwähnte Gegendemo in Berlin zur Menschenkette im Tagebaugebiet in den Medien (wie auch hier in der taz) immer als "Gewerkschaftsdemo" bezeichnet wird.

    Wie auf der rwe-Homepage unter http://www.rwe.com/web/cms/de/701084/rwe/investor-relations/governance/aufsichtsrat/zum-lebenslauf/ zu sehen ist, ist Frank Bsirske gleichzeitig Vorsitzender der ver.di Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der rwe. Angesichts dieser Verflechtung müsste wohl eher von einer im Dienste von rwe organisierten Demo die Rede sein.

  • Danke für den Artikel, er erklärt sehr schön, wie hier die Lobbymacht funktioniert.

     

    Erschreckend finde ich aber vor allem, dass sich die IGBCE als Gewerkschaft überhaupt so positioniert hat, wie sie es hat.

    Auf der einen Seite sagt sie ja, dass sie Strukturbrüche befürchtet wenn Kohlekraftwerke stillgelegt werden und auf der anderen Seite fordert sie Kohlekraftwerke in die Kapazitätsreserve zu übernehmen. Der einzige Unterschied zu einer Stilllegung ist da aber, dass die Energiekonzerne entschädigt werden. Für die meisten Arbeitnehmer und gar den Kohleabsatz oder die Kohlereviere an sich ändert sich gegenüber einer Stilllegung aber überhaupt nichts. Die pure Scheinheiligkeit einer Gewerkschaft, um den Energiekonzernen ihre Pfründe zu sichern.

  • Ja wie ? - Was issen da los -?

    Was geht da ab?

     

    Das Hochamt für den postArisierer

    &spät unter den Alleinseeligmachenden

    Mantel Geschlüpften - ist noch kaum verhallt -

    um nicht verdomt zu kalauern -

     

    Ja da - da isses schon vorbei mit dem

    brauntradionell a Bap -

    wirtschaftsaffinen vorauseilenden Gehorsam??

     

    Ähnä - nich wirklich -

    Kohle braun - & Schau

    underberg &burg &untertage -

    DuMont - Kölner Stadtanzeige -

    Kölsch ahls wigger - bekannt feige.

    Hal dich fess - ahl Fellfress -

    Schnell Schneller Express.

    So geht das.