piwik no script img

Kohl feiert 80. GeburtstagKeine Versöhnung, nirgends

Auf der nachträglichen Feier zum Achtzigsten verteidigt der Exkanzler den Euro als Friedensgarantie. Eine Versöhnung mit alten Feinden findet nicht statt.

Es trennt sie mehr als dieser kleiner Zwischenraum: Kanzlerin Merkel (li) und Ex-Kanzler Kohl. Bild: dpa

LUDWIGSHAFEN taz | Es war vorher nicht abzusehen, dass die nachträgliche Geburtstagsfeier für Helmut Kohl in eine dramatische Phase der deutschen Europapolitik fallen würde. Als sich dieses Zusammentreffen abzuzeichnen begann, hat es die Spitzen der Regierungsparteien nicht gefreut. Weil die Reise nach Ludwigshafen die Strapazen einer ungewöhnlich arbeitsreichen Woche noch erhöhte. Aber auch, weil der frühere Bundeskanzler eine Politikergeneration verkörpert, für die Europa noch mehr war als ein technokratisches Problem.

Dass er das dann sagte, dass er angesichts seiner angegriffenen Gesundheit überhaupt etwas sagte, auch damit war nicht fest zu rechnen. Er tat es. "Ich habe wenig Verständnis für die aktuelle Frage Griechenland", sagte er mit schwacher Stimme. "Viele bei uns tun, als ginge sie das gar nichts an. Natürlich ist das alles schwierig. Aber wir müssen jetzt alles tun."

Mit einer Verteidigung der Gemeinschaftswährung fuhr er fort. "Ich bin heute mehr denn je überzeugt, dass die europäische Einigung für Europa und übrigens auch für uns eine Frage von Krieg und Frieden ist und dass der Euro für uns ein Stück Friedensgarant ist." Eingeleitet hatte er die Passage mit Jugenderinnerungen aus dem Zweiten Weltkrieg.

Größer hätte der Kontrast zur Bundestagsdebatte vom Vormittag kaum sein können, in der Kanzlerin Angela Merkel und Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier weniger über Griechenland als über deutsche Innenpolitik stritten.

Von Kleinlichkeiten war aber auch die Veranstaltung in Ludwigshafen nicht frei. Gut vier Wochen nach Kohls 80. Geburtstag am 3. April richteten Stadt, Land und Bund die Feier am Wohnort des Jubilars aus, weil Kohl zunächst geplante Termine in Berlin aus Krankheitsgründen abgesagt hatte. Über die Ein- oder besser die Ausladungen bestimmte Kohl selbst. Kein einziger seiner früheren Gegner war dabei, kein Richard von Weizsäcker, kein Heiner Geissler.

Es war kein Tag der Versöhnung, eher ein Tag der Erinnerung daran, wie festgefügt die politischen Lager während Kohls Kanzlerschaft waren. Dazu trug auch der Festredner Roman Herzog bei. Der frühere Bundespräsident und enge Weggefährte tat, was Kohl selbst nicht tun kann: Wie der Verteidiger in einem Strafprozess machte er sich zum Sprachrohr des Exkanzlers und nahm ihn gegen jahrzehntelange Anwürfe in Schutz.

Er sprach auch zur Spendenaffäre, an dem Tag, an dem das Augsburger Landgericht das Urteil im Schreiber-Prozess fällte. "Dass er das Parteiengesetz verletzt hat, wird von ihm nicht bestritten", sagte Herzog.

Auch Herzog kritisierte die Bundeskanzlerin, verpackt in ein Lob für den Parteivorsitzenden Kohl. "Die verschlissene CDU hat er umgeformt zu einer entschlossenen und entscheidungskräftigen Partei", rühmte er - um dann hinzuzufügen: "Wenn auch nur mit zeitlich limitierter Wirkung." Es war kein angenehmer Termin für Merkel, die in ihrem Grußwort notgedrungen unverbindlich blieb. Kein Wort zur Spendenaffäre, dürre Sätze zu Kohls Rolle als Parteivorsitzendem, eine lange Würdigung der deutschen Einheit. Dazu eine Anekdote. "Verstehen Sie sich mit Frauen?", habe Kohl gefragt, als er sie 1990 zur Familienministerin machte. Der kleine Blick durchs Fenster wirkte etwas schal im Vergleich zu allem, worüber Merkel schwieg.

Kohl selbst begrüßte seine Nachfolgerin zwar als "Frau Bundeskanzler", bedankte sich aber nur für die Worte Becks, nicht für die Rede Merkels. Keine Versöhnung, nirgends.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • R
    rugero

    Da wird ein Mann geehrt, der dem Wort "Ehre" mit seinen Ehrenworten eine neue Bedeutung gegeben hat und zugegebenermaßen gegen deutsche Gesetze verstoßen hat. Er zahlte freiwillig 700.000 DM, um einen Prozeß zu vermeiden. Dabei ging es nicht nur um wenige Jahre der illegalen Spendenpolitik. Hätte man seine gesamte Amtszeit als Ministerpräsident und später Kanzler untersuchen dürfen, wären wahrscheinlich schwindelerregende Zahlen herausgekommen.

     

    Sein Verdienst um die deutsche Einheit ist kaum eine Ruhmestat. Nachdem sich die Ostdeutschen um die Vereinigung beworben hatten, hätte auch kein anderer Bundeskanzler nein sagen können. Eigentlich war Kohl 1989 als Kanzler fertig und wäre abgelöst worden bei der nächsten Wahl die Vereinigung hat er allerdings geschickt genutzt als Imagekampagne.

     

    Ich finde es traurig, daß der Mann trotz aller Verfehlungen mit so viel Heuchelei und Brimborium gefeiert wird.

  • B
    BerlinaWoman

    Kohl ist 1 Mensch. Man kann ihn nicht auftrennen-hier der sogenannte Held, der Einheitskanzler, dort der Verschweiger bei Unrecht.Solange er bei seinem Black-Out-Schweigen bleibt, hat er keine Würdigung verdient.

    Dieses Verhalten des Bundeskanzlers Kohl, heute Ex-Kanzler, war und ist eine ungeheure Mißachtung des deutschen Rechtsstaates, dessen Kopf er als Kanzler doch gewesen sein will. Das wird stets untertänigst verschwiegen.

    Die politische Klasse in diesem Lande stellt sich außerhalb von Recht und Ordnung. Jeden anderen Menschen hätte ein derartiges Verhalten wie jenes von Kohl um seine Existenz gebracht.

  • E
    Eisvogel

    Krieg und Frieden, herrjemine.

     

    Der lebt immer noch in der Zeit des grossen vaterländischen Krieges. Den Fragestellungen von heute wich er ja schon immer gerne aus, und hat lieber in Potsdam Monarchen umgebettet statt die Einheit vernünftig durchzurechnen.

     

    Heute macht das alles nichts mehr, alter Mann eben. Leider war er aber als Regierungschef auch schon so. Ganz furchtbares Klein-Fritzchen Verständnis von Politik. Eigentlich ist es schauderhaft, dass so jemand in Deutschland mehr wird als Geschichtslehrer an der Realschule.

     

    Leider macht sich da ein milder Blick breit, bevor richtig aufgerechnet ist was die Kohl-Jahre für Deutschland bedeutet haben. Das war nämlich der Schlüssel zum volkswirtschaftlichen Niedergang.

     

    Meinetwegen Friede dem Manne, aber das Prinzip muss nach wie vor bekämpft werden.

  • DW
    de wolle

    altersstarsinn^pur!!

  • F
    freidenker

    He TAZ,

     

    was soll das ?

    Habe gestern schon moniert, dass das Merkel mich erschreckt hat. Und heute auch noch das Kohl dazu.

     

    Jetzt reichts aber.

     

    Ich hoffe die Freitagsausgabe ist frei von beidem.

     

     

    Gruß aus der Provinz

  • P
    Peter

    ach ja! fast jeder andere Mensch an der Stelle Kohls säße nach dem Parteispendenskandal im Knast. Der soll sich schämen - ein alter knorriger stockkonservativer Sack,der soviel Dreck am Stecken hat,dass ihm gar nichts anderes übrig bleibt als schweigen.seiner nachfolgerin dann eben auch.

  • R
    rugero

    Da wird ein Mann geehrt, der dem Wort "Ehre" mit seinen Ehrenworten eine neue Bedeutung gegeben hat und zugegebenermaßen gegen deutsche Gesetze verstoßen hat. Er zahlte freiwillig 700.000 DM, um einen Prozeß zu vermeiden. Dabei ging es nicht nur um wenige Jahre der illegalen Spendenpolitik. Hätte man seine gesamte Amtszeit als Ministerpräsident und später Kanzler untersuchen dürfen, wären wahrscheinlich schwindelerregende Zahlen herausgekommen.

     

    Sein Verdienst um die deutsche Einheit ist kaum eine Ruhmestat. Nachdem sich die Ostdeutschen um die Vereinigung beworben hatten, hätte auch kein anderer Bundeskanzler nein sagen können. Eigentlich war Kohl 1989 als Kanzler fertig und wäre abgelöst worden bei der nächsten Wahl die Vereinigung hat er allerdings geschickt genutzt als Imagekampagne.

     

    Ich finde es traurig, daß der Mann trotz aller Verfehlungen mit so viel Heuchelei und Brimborium gefeiert wird.