: Kofi Annan stiftet Versöhnung in Nigeria
Der UN-Generalsekretär verkündet in Nigeria die Freilassung aller politischen Gefangenen. Freikommen soll auch der inhaftierte Wahlsieger Moshood Abiola – der dann zu neuen Wahlen kandidieren könnte ■ Von Dominic Johnson
Berlin (taz) – Dem UN-Generalsekretär Kofi Annan ist offenbar ein entscheidender Durchbruch zur Lösung der politischen Krise in Nigeria gelungen. Auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Abuja sagte Annan gestern, die Militärregierung von General Abdulsalam Abubakar werde bald alle politischen Gefangenen freilassen. Dazu zählt auch Moshood Abiola, Sieger der vom Militär annullierten Präsidentschaftswahl von 1993, den die Demokratiebewegung als rechtmäßiges Staatsoberhaupt ansieht.
„Ich verlasse Nigeria, für die Freilassung aller politischen Gefangenen ist alles bereit“, sagte Annan, der zu Wochenbeginn angereist war. „Die Regierung wird zum passenden Zeitpunkt eine Ankündigung machen.“
Annan hatte bei seinem Besuch sowohl Staatschef Abubakar getroffen, der am 9. Juni nach dem plötzlichen Tod seines Vorgängers Sani Abacha zum Chef der herrschenden Militärjunta ernannt worden war, wie auch den Häftling Abiola. Ihn besuchte er am Mittwoch in seinem Haftort in Abuja innerhalb des Komplexes „Aso Rock“, wo auch die Regierung ihren Sitz hat. Abiola sei in guter Verfassung, sagte Annan. Der UN-Generalsekretär und der ebenfalls in Nigeria weilende Generalsekretär des Commonwealth, Emeka Anyaoku, waren die ersten ausländischen Persönlichkeiten seit 1996, die Abiola sehen durften.
Annan ließ erkennen, daß Abiola entgegen dem Wunsch der demokratischen Opposition offenbar keinen Anspruch mehr auf das Präsidentenamt erhebt. „Abiola sagte mir, er wolle freigelassen werden, um sein Leben zu ordnen. Er sagte mir: Ich bin nicht naiv genug, um zu denken, ich könnte rauskommen und Präsident sein.“
Statt dessen könnte Abiola nun eine entscheidende Rolle bei politischen Reformen in Nigeria spielen. Der verstorbene Diktator Abacha hatte vorgehabt, sich am 1. August zum Präsidenten wählen zu lassen und am 1. Oktober die Macht an sich selber als gewähltes Staatsoberhaupt zu übergeben. Weil große Teile der Opposition diesen Schritt nicht anerkennen wollten und darauf beharrten, Nigeria habe mit Abiola schon einen gewählten Präsidenten, wurde weithin ein Bürgerkrieg ab Oktober befürchtet. Unter dem neuen Diktator Abubakar, der sich nach Meinung vieler Beobachter von dem früheren Militärdiktator Ibrahim Babangida beraten läßt, werden nun Alternativen ins Spiel gebracht, um einen Bürgerkrieg abzuwenden.
Eine davon besteht darin, richtige Präsidentschaftswahlen zu organisieren, zu denen Abiola antritt. Führungsmitglieder der größten der fünf legalen Parteien Nigerias, die „United Nigeria Congress Party“ (UNCP), haben Abiola bereits die Kandidatur angeboten. Da sich in der UNCP gewichtige Teile der Geschäftswelt Nigerias versammelt haben – zu der Abiola auch gehört – wäre sein Sieg in diesem Falle so gut wie sicher.
Abiola wäre dann gewissermaßen heimgeholt in die traditionelle Herrschaftselite aus Militärs und Millionären. Die radikale Demokratiebewegung aber wäre in einem Dilemma. Da sie an Abiola als Symbol der Demokratie hartnäckig festgehalten hat, käme sie kaum umhin, bei einer neuen Wahl für ihn zu stimmen – und sich damit dem System zu beugen.
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