: König ohne Land, Exilant mit Visionen
Mohammed Zahir Schah, der 86-jährige ehemalige König Afghanistans, wird unversehens zum Hoffnungsträger
Er schien fast vergessen: Mohammed Zahir Schah. Doch nun, im Bemühen um eine friedliche Zukunft Afghanistans, sehen viele den 86-jährigen ehemaligen König in einer Schlüsselrolle.
Während seiner 40-jährigen Herrschaft bis zu seinem Sturz 1972 erlebte Afghanistan eine beispiellos lange Zeit inneren Friedens. In den letzten zehn Jahren seiner Macht hatte Zahir eine behutsame Demokratisierung eingeleitet: konstitutionelle Monarchie, allgemeine Wahlen, Liberalisierung der Presse.
1972 wurde Zahir Schah von seinem Neffen Mohammed Daoud gestürzt und ins Exil nach Rom geschickt. Sechs Jahre danach wurde Daoud ermordet, die kommunistische Regierung übernahm das Ruder, und ein Jahr darauf rollten sowjetische Panzer über den Hindukusch.
Derzeit richten sich die Hoffnungen vieler Afghanen und auch der Politstrategen in Washington wieder auf den Exkönig. Er könnte die Stimme sein, die das von 21 Jahren Bürgerkrieg zerstörte Land wieder aufrichtet, bevor die ethnischen, sprachlichen und religiösen Unterschiede neu aufbrechen. Zahir hatte den Afghanen nicht nur ein bisschen Demokratie gebracht. Er ist auch ein Durrani und repräsentiert damit die mit 40 Prozent größte ethnische Gruppe der Paschtunen.
In seiner Radioansprache an das afghanische Volk meldete er keinen Führungsanspruch an. Dafür ist Zahir Schah zu alt. Er will das traditionelle Stammesparlament Loya Jirga einberufen, damit es einen Präsidenten und eine Übergangsregierung ernennen kann, die allgemeine Wahlen vorbereiten soll.
Ob er seine Visionen verwirklichen kann, ist ungewiss. Eine neue Generation Afghanen ist herangewachsen, für die die Monarchie eine ferne Erinnerung ist. Krieg, Flucht und eine neue religiöse Inbrunst sind dagegen lebensbestimmende Realität. Die Taliban, die Afghanistan zum „islamischen Emirat“ mit einem religiösen „Führer aller Gläubigen“ erhoben haben, nennen Zahir Schah einen „Kriminellen“. Doch womöglich sind sie sind in einem künftigen Afghanistan kein Machtfaktor mehr.
Das Verhältnis des Nachbarn Pakistan zu Zahir ist gespannt. Bereits 1992, als der König im Rahmen einer internationalen Friedensinitiative die Loya Jirga einberufen sollte, wurde dies von Islamabad sabotiert, das „seine“ Mudschaheddin-Fraktionen auf den Thron in Kabul heben wollte. Damals fügte sich ein Alliierter namens USA den Wünschen Pakistans. Und heute, das weiß der alte Herr in seiner römischen Villa, ist Pakistan wiederum die wichtigste Stütze Washingtons in der Region.
BERNARD IMHASLY
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen