Kölner Tatort „Vier Jahre“: Authentisch anstrengend
Manchmal möchte man als Zuschauerin des „Tatort“ allen dort Versammelten Therapie empfehlen. Aber dann hätten wir ja keine Morde am Sonntagabend.
Wie viel Leid wäre wohl der feierfreudigen Freundesgruppe im neuen Tatort erspart geblieben, hätten einige dieser Männer rechtzeitig mal ihr Selbstbild kritisch hinterfragt? Stattdessen saufen sie, markieren ihr Revier und können sich schon gar keine eigenen Fehler eingestehen. So manchen Mann im Krimi müsste man eigentlich sofort in die Therapie schicken. Aber dann gäbe es ja keinen Krimi.
Da ist zunächst Thore Bärwald, den kostet seine Großkotzigkeit gleich zu Beginn des Films das Leben. Thore ist ein besoffener Schauspieler und zitiert dementsprechend pausenlos irgendwelche Dramen. Er nervt, auch nüchtern. An solcher Attitüde sind bereits Freundschaften zerbrochen. In Thores Fall die mit Moritz. Wobei man sagen muss: Auch Moritz nervt, nur eben auf eine hinterhältigere Art. Erst markiert er den Macho-Beschützervater, aber als er dann seine Tochter mit dem wesentlich älteren Thore beim Sex erwischt, nennt er sie eine „Nutte“.
Markus geht vier Jahre ins Gefängnis, nachdem Thore eines Silvesterabends tot bei ihm im Pool schwimmt. Diese vier Jahre machen Markus aber auch nicht zu einem besseren Typen. Den neuen Partner seiner Frau kann er als Alphamann nicht akzeptieren und will ihn vor die Tür setzen. Der neue Partner wiederum ist auch kein armes Opfer, sondern ein komplexbeladener Opportunist. Die Frau scheint eher eine Trophäe zu sein.
Und schließlich gibt es noch einen Ole, der gesteht plötzlich den Mord an Thore und wandert anstelle von Markus in den Knast. Eine tolle Aufopferung, die aber letztlich keinem etwas bringt, sondern dem ganzen Umfeld nur weiter schadet. Die größte Glanzleistung vollbringt aber immer noch Familienvater Moritz. Der schafft es nämlich, seine ohnehin schon emotional demolierte Familie noch viel mehr zu verletzen und nebenbei eine Riesenmenge Geld zu verprassen.
Eine Therapie wäre kostengünstiger gewesen. Andererseits, unterhaltsam sind diese negativ überzeichneten Männertypen ja schon. Der „Tatort“ jedenfalls fängt hier Verhaltensmuster ein, die durchaus in der Realität wiederzufinden sind. Und trotz allem gelingt es den Darsteller:innen, glaubwürdig ihre Rollen zu spielen, ohne dabei in eine Parodie zu verfallen. Der zunächst unvorhersehbare und spannende Plot wird am Ende etwas vertrackt, ist aber in seinen Motiven stimmig. Wer Männern vergnügt bei der Selbstsabotage zuschauen will, kann diesen Kölner Tatort getrost anschauen.
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