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Kölner Kostverächter

Tolles Spiel und miese Stimmung: Beim 2:2 zwischen Deutschland und Frankreich tut sich eine merkwürdige Kluft zwischen dem Geschehen auf dem Rasen und den Rängen auf

Kann auch ein Rastelli sein: Julian Draxler (Mitte) versucht kunstvoll den Ball zu behaupten Foto: ap

Aus Köln Andreas Rüttenauer

Es ist um viel gegangen, auch wenn sich Deutschland und Frankreich nur zu einem Testspiel getroffen haben. Nach dem 2:2 von Köln im letzten Länderspiel des Jahres bleibt es dabei: Die beiden Auswahlteams gehen wohl als Favoriten auf den Titel ins WM-Jahr 2018. Da können die Trainer beinahe aufstellen, wen sie wollen, es kommt etwas Ansehnliches dabei heraus.

Und weil vorne beiden mit erstaunlicher Regelmäßigkeit irgendwann irgendetwas Schönes einfällt, kann Bundestrainer Joachim Löw im Juni nächsten Jahres in aller Ruhe darüber nachdenken, woran noch gearbeitet werden muss. Der allgemeinen Testspielskepsis, die dazu geführt hat, dass die Europäische Fußball-Union (Uefa) mit einer Nationenliga einen Wettbewerb erfunden hat, den wirklich niemand braucht, haben die Teams aus Frankreich und Deutschland etwas unerwartet Sportives entgegengesetzt. Man kann also durchaus zwei Mannschaften gegeneinander spielen lassen, ohne dass es gleich um einen Titel geht. Die zahlreichen torlosen Spiele in den Playoffs zur WM zuletzt mögen ja spannend gewesen sein, schöner war es, dem Treiben der Deutschen und der Franzosen in Köln zuzusehen. Solche Tests seien genau richtig, meinte ein gelöster Bundestrainer nach dem Spiel.

Auch er wird gestaunt haben über den irrsten Teenager der Fußballszene, Kylian Mbappé, der zwar nur angedeutet hat, was in ihm steckt, aber dennoch ein Hingucker war. Da war ja dann auch dieser unfassbar merkwürdige Antoine Griezmann nur ein paar Minuten auf dem Feld, und schon konnte man sehen, dass er nur Aktionen ausführt, die zu etwas führen. Und schön anzusehen war auch, wie ein Ale­xan­dre Lacazette Spielwitz in Torgefahr münden ließ. Zwei Mal hat er getroffen.

Das Publikum im Stadion, in dem sich knapp 40.000 Menschen eingefunden hatten, war nicht ganz glücklich damit, dass den Franzosen so viel gelungen ist. Auch das passte zum Ende dieses Jahres, in dem die DFB-Auswahl nicht verloren, die WM-Quali überlegen abgeschlossen und zu allem Überfluss mit einer C-Elf den Confed Cup in Russland gewonnen hat. Ausverkauft sind solche Spiele nicht mehr in Deutschland. Und wenn es einmal einem Gegner gelingt, eine deutsche Abwehr, die wohl so (Plattenhardt, Süle, Hummels, Can) nie wieder zusammenspielen wird, an die Wand zu nageln, dann wird schon gepfiffen. Und wenn es den Deutschen ein paar Minuten nicht gelingt, sich durch die perfekt aufgestellten Verteidigungsreihen der Franzosen bis zur Grundlinie durchzuspielen, dann wenden sich viele Blicke ab, verfolgen einen Papierflieger, und Jubel brandet auf, wenn dieser vom obersten Rang mitten auf das Spielfeld segelt. Ein schwieriges Publikum, das sich der DFB da herangezogen hat. Bis weit in die erste Halbzeit hinein konnte man sich getrost fragen, ob die Gedenkminute für den jüngst verstorbenen 54er Weltmeister Hans Schäfer, die vor dem Anpfiff aufgerufen wurde, immer noch andauert.

Ein schwieriges Publikum, das sich der DFB da herangezogen hat

Die Stimmung war mies, obwohl es Ilkay Gündogan immer wieder gelang zu zeigen, warum er eine Mannschaft stark machen kann. Obwohl Toni Kroos immer wieder gezeigt hat, dass es vielleicht keinen sichereren Achter im Weltfußball gibt. Obwohl Mesut Özil, der sich zwar nicht immer am Spiel beteiligt, auch diesmal wieder Ideen hatte, auf die kein anderer kommen würde. Obwohl Julian Draxler bewiesen hat, dass er ein Rastelli sein kann, wenn man ihn nur lässt. Obwohl Timo Werner nicht nur bei seinem Treffer zum 1:1 so schnell war, dass man mit dem Schauen kaum hinterhergekommen ist. Und obwohl die Mannschaft bis zum Ende einen Testspielfight lieferte, der in den späten Ausgleich durch Lars Stindl mündete.

Der DFB, der Weltmeisterverband, hat jeden Sexappeal verloren – trotz alledem. Das kommt nun gerade, da sich der Verband um die Ausrichtung der EM 2024 bewirbt, zur Unzeit. „United by Football“ – mit diesem Slogan geht der Verband ins Rennen gegen Mitbewerber Türkei. Friedrich Curtius, der Generalsekretär des Verbandes, machte aus dem Werbesprüchlein das ganz große Ding, in dem er vor dem Spiel sagte, es gehe in einer Zeit, in der in immer mehr Staaten der Nationalismus gepredigt werde, um ein Zeichen für ein geeinigtes Europa. Nicht nur eine Nummer kleiner hätte einem Verband, der nichts dagegen hat, wenn die Uefa in ihren Bewerbunsgkriterien vorschreibt, dass es rund um die Stadien keine Demonstrationen genehmigt werden sollen, gut zu Gesicht gestanden. Und Curtius wird auch nicht rot, wenn er den Fans ein neues „Sommer­märchen“ verspricht, obwohl immer noch immer nicht restlos geklärt ist, wie die Deutschen jene ach so märchenhafte WM 2006 an Land gezogen haben. So geht es einfach nicht.

Joachim, Löw meinte über das abgelaufene Jahr ein wenig arg zurückhaltend, man könne schon ganz zufrieden sein. Kann er. Der DFB aber hat ein Problem. Der Verband ist zu einem notwendigen Übel im deutschen Fußball verkommen. Dass das ausgerechnet der Teil des Verbands zu spüren bekommt, der einfach guten Fußball liefert, Joachim Löw und sein Team, das ist fast schon gemein.

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