Koalitionsvertrag nicht umgesetzt: Mehr Staatsgeld für Atomfirmen
Laut Koalitionsvertrag soll der Bund Beteiligungen seiner Pensionsfonds an AKW-Betreibern abstoßen. Bisher passiert das Gegenteil.
Es ist eine der wenigen klaren Aussagen zum Thema Atomkraft, die sich im Koalitionsvertrag finden: „Wir wollen eine konsequente Beendigung aller Beteiligungen staatlicher Fonds an AKWs im Ausland umsetzen“, haben Union und SPD im März 2018 festgelegt. Die Rücklagen, die der Bund unter anderem für die Pensionen seiner BeamtInnen bildet, sollen also nicht mehr in Firmen investiert werden, die Atomkraftwerke betreiben.
Passiert ist seitdem aber genau das Gegenteil: Zu Beginn des Jahres 2018 hielt der Bund in seinem Versorgungsfonds und seiner Versorgungsrücklage gut 14 Millionen Aktien der Atom-Firmen Eon (Deutschland), Iberdrola (Spanien), Enel (Italien) und Engie (Frankreich). Ein Jahr später hat sich die Zahl auf knapp 26 Millionen Aktien fast verdoppelt.
Das zeigen die Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (Grüne). Zusammen mit zwei weiteren Sondervermögen des Bundes für die Pflege- und die Arbeitslosenversicherung belief sich der Wert der Atomaktien im Bundesbesitz Ende 2018 auf über 300 Millionen Euro.
Als Grund für die erfolgten Zukäufe sagt das für die Sondervermögen zuständige Bundesinnenministerium, dass der Aktienanteil in den Fonds generell erhöht worden sei. Diese bilden den europäischen Aktienindex Euro Stoxx 50 nach. Weil darin die Unternehmen Iberdrola, Enel und Engie enthalten sind, wurden auch deren Aktien zugekauft. Eon wurde hingegen im September komplett abgestoßen, nachdem das Unternehmen aus dem Euro Stoxx flog – ansonsten wäre die Zahl der bundeseigenen Atomaktien noch stärker gestiegen.
Wenig überzeugende Strategie
Kotting-Uhl hat für das Vorgehen der Regierung kein Verständnis. „Die Bundesregierung macht aus dem klaren Versprechen des Koalitionsvertrags ein unsägliches Spiel auf Zeit und kauft sogar noch AKW-Konzern-Aktien zu“, sagte die Grünen-Abgeordnete der taz. „Wenn das so weitergeht, wird sie die vom Bund verwalteten Atominvestments nie abstoßen.“
Das Innenministerium weist diese Kritik zurück. „Der klare Auftrag des Koalitionsvertrags wird umgesetzt“, sagte ein Sprecher zur taz. Um rechtliche Probleme zu vermeiden, müsse aber zunächst eine genaue Analyse vorgenommen werden. „Erfasst werden sollen auch kleine Beteiligungen“, so der Sprecher. Im November sei darum beschlossen worden, eine „Nachhaltigkeit-Ratingagentur“ zu beauftragen, alle Euro-Stoxx-50-Unternehmen auf Atombeteiligungen zu überprüfen. Vergeben wurde dieser Auftrag bis jetzt aber noch nicht.
Sylvia Kotting-Uhl, Grüne
Die Grünen überzeugt diese Strategie nicht. Sie fordern, dass zumindest die eindeutig als AKW-Betreiber feststehenden Unternehmen in einem ersten Schritt schon jetzt ausgeschlossen werden. „Die Regierung muss sofort die massiven Investmensts in Enel, Engie und Iberdrola abstoßen“, sagt Sylvia Kotting-Uhl. „Sonst verliert sie jede Glaubwürdigkeit.“ Auch das Umweltministerium wünscht sich mehr Tempo. „Wir unterstützen nachdrücklich die konsequente und zügige Umsetzung der Vorgabe des Koalitionsvertrags“, teilte ein Sprecher mit.
Dass das Innenministerium jetzt erst einmal ermitteln muss, welche Firmen AKWs betreiben, überrascht auch aus einem anderen Grund: Der vom Finanzministerium betreute staatliche Entsorgungsfonds, der rund 24 Milliarden Euro für die Atommüll-Endlagerung verwaltet, darf laut seiner Satzung ebenfalls nicht in AKW-Betreiber investieren. Dort wird diese Vorgabe bereits umgesetzt.
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