Koalitionsvertrag in Bremen: Ein Schritt in Richtung Monarchie
Die rot-grün-roten Koalitionäre in Bremen betonen, wie gemeinschaftlich sie verhandelt hätten. Der neue Ressortzuschnitt drückt etwas anderes aus.
O pposition sagt man, sei Mist. Aber Selbstentleibung ist auch nicht toll: Der neue rot-grün-rote Koalitionsvertrag in Bremen überrascht durch die Rücksichtslosigkeit, mit der die SPD ihre Interessen durchsetzt, und auf welche Kompetenzbeschneidungen sich die kleinen Partnerinnen eingelassen haben.
So hatte Kristina Vogt (Linke) als Senatorin das Zusammenspiel von Wirtschaft und Arbeit erfolgreich gestaltet. Künftig ist sie für Häfen zuständig, aber nicht mehr für Arbeit. Das ist bitter: Vogts größte Stärke ist nämlich der Kontakt zur werktätigen Bevölkerung.
Sie spricht die Sprache der einfachen Leute. Davon hatten nicht nur ihre Partei und sie selbst – mit 23.000 persönlichen Stimmen – profitiert, sondern auch Bremens gesellschaftlicher Zusammenhalt.
Dieses Potenzial wird stillgelegt. Ist das Absicht? Darf etwa niemand neben Senatspräsident Andreas Bovenschulte populär sein?
Schlimmer erwischt hat es selbstredend die Grünen: Von drei auf zwei Senatsposten runter, das entspricht natürlich der Wahlarithmetik. Die SPD macht jetzt also wieder Soziales. Aber was bleibt vom Herzens- und Identitäsressort der Ökopartei übrig?
Eine Grüßauguste regiert mit
Früher mal waren sie ja mit einer Spitzenkraft zuständig für Stadtentwicklung, Bau, Energie, Mobilität, Umwelt- und Klimaschutz, Ökolandwirtschaft und einst auch für Europa. Die neue Senatorin für Klima, Umwelt, Energie und Wissenschaft hat zwar auch viele Titel, aber keine Exekutivmacht. Sie ist eine Grüßauguste. Immerhin bleibt die Bezahlung gleich.
Dem müssen die Parteien nun zustimmen: Es wäre unverantwortlich, Neuwahlen zu riskieren. Das hatte die Position der SPD über den Wahlgewinn hinaus gestärkt. Weil sie das schamlos ausgenutzt hat, wird jetzt laut vom Grillen der Verhandler*innen schwadroniert.
Doch der Senat – de jure nach wie vor ein Organ gleichberechtigter Kolleg*innen – rückt auf diese Weise klar in Richtung informeller Monarchie. Abgebildet findet sich darin ein allgemeiner Backlash ins Autoritäre.
Von dem hatte die SPD bereits bei der Wahl profitiert, weil sie nun mal den größten starken Mann im Angebot hatte. Den Trend im Koalitionsvertrag machtpolitisch festzuschreiben, mag zwar zukunftsweisend sein, Fortschrittlich ist es nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren