Koalitionssuche in Thüringen und Sachsen: Trotzphase überwunden
Erst gab es Ärger mit dem BSW in Sachsen und Thüringen. Nun reden CDU und SPD aber wieder mit dem Bündnis über mögliche „Brombeerkoalitionen“.
In beiden Ländern reagierte die SPD am empfindlichsten. Anders als in Brandenburg gibt es hier bei den Sozialdemokraten fast noch größere Vorbehalte gegen eine Koalition mit den Wagenknecht-Anhängern als in der CDU. Der bisherige sächsische Wirtschaftsminister und ehemalige Parteichef Martin Dulig bezeichnet das BSW auf der Plattform „X“ als „verlogen“. In Thüringen stellt sich etwa der Kreisverband Gera offen gegen eine Koalition mit dem BSW.
Es bleibt Spekulation, ob der Thüringer SPD-Landeschef Georg Maier diese Kritiker bedienen wollte, als er am Wochenende einer Koalition kaum noch eine Chance gab. Nach der Einigung am Montag auf Koalitionsverhandlungen lobt er plötzlich wieder das „Aufbruchssignal“ der bisherigen Sondierungen einschließlich einer „Gerechtigkeitsoffensive“ der SPD.
Die neue Friedensformel
Entscheidend für die Aufnahme von Verhandlungen in sieben Arbeitsgruppen aber war die Verständigung auf eine veränderte Friedensformel in der Präambel des angestrebten Koalitionsvertrags. Sie betont allgemein den Willen zum Frieden in Europa. Die Passage „Wir nehmen die Sorgen und Ängste unserer Bürgerinnen und Bürger ernst, dass Krieg in Europa ist und Deutschland mit hineingezogen werden könnte“ klingt nach einer Konzession an das BSW.
Unterschiedliche Positionen werden erwähnt, bei CDU und SPD die „Tradition von Westbindung und Ostpolitik“, beim BSW der „kompromisslose Friedenskurs“.
In der Wendung „Im Rahmen der europäischen und bundesstaatlichen Ordnung unterstützen wir alle diplomatischen Initiativen, den von Russland gegen die Ukraine entfesselten Angriffskrieg zu beenden“ finden sich offenbar alle Seiten wieder. Diese Kompromisse blieben hinter dem Brandenburger Sondierungspapier zurück, kritisierte erneut Wagenknecht. Diesmal fiel sie ihren Thüringer Gefolgsleuten aber nicht mit einer Intervention in den Rücken.
Der Linken-Fraktionschef im Erfurter Landtag Christian Schaft sieht in diesem Spiel ein „Damoklesschwert“, das auch in den kommenden Jahren über einer „Brombeerkoalition“ schweben könnte. Obschon klar ist, dass diese Koalition nur über die Hälfte der 88 Landtagssitze verfügt, habe „weder offiziell noch inoffiziell“ jemand die Linke kontaktiert.
Vor einer Ministerpräsidentenwahl aber müssten solche Fragen der Mehrheitsbeschaffung jenseits der AfD geklärt werden. Der frühere CDU-Generalsekretär Mario Czaja hatte den Unvereinbarkeitsbeschluss der Union gegenüber der Linken infrage gestellt. Nach einem Spitzentreffen am Montag beginnen in Sachsen die Sondierungsgespräche.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung