Koalitionspremiere in Österreich: Viel rot und wenig Grün in Wien

In Wien ist die rot-grüne Koaltion fast komplett – ein Novum. Grünen-Chefin Vassilakou soll Vize-Bürgermeisterin werden. Die neue Regierung wird Druck von der FPÖ bekommen.

Bescheidenheit ist eine Zier: Maria Vassilakou. Bild: reuters

"Häupl regiert mit einer Griechin!", meldete das ausländerfeindliche Boulevardblatt Kronen Zeitung gewohnt alarmistisch am Mittwoch. Noch ist es nicht ganz so weit. Aber Wiens Bürgermeister Michael Häupl, SPÖ, ist mit den von Maria Vassilakou, 41, angeführten Grünen fast handelseins, was die künftige Regierung der österreichischen Hauptstadt betrifft.

Mittwoch endete die erste Phase der Koalitionsverhandlungen mit der Zwischenbilanz der neun Arbeitsgruppen, die seit Anfang letzter Woche verhandelten. Dass erstmals in einem österreichischen Bundesland Rot-Grün regieren wird, gilt als sicher. In spätestens zwei Wochen soll die Stadtregierung stehen.

"Da müssten wir uns anstrengen, dass die Verhandlungen noch scheitern", verkündete die gebürtige Griechin Vassilakou, die 2009 die Berufung zur Umweltstaatssekretärin in Athen ausgeschlagen hatte, Dienstag im Fernsehen. Mehr ließ sie sich nicht entlocken. Doch die wenigen Informationen, die aus den Verhandlungszimmern dringen, stimmen in einem Punkt überein: Die Stimmung ist gut, der Umgangston freundschaftlich. Die Themen Bildung, Kultur und Wohnen seien abgehakt, bei den Knackpunkten Verkehr und Finanzen sei man gut unterwegs.

Dieses günstige Klima berge auch Gefahren, warnen Kommentatoren wie basisbewegte Grüne. Denn in ihrem Ehrgeiz, endlich mitregieren zu dürfen, könnten sich die Ökos zu billig verkaufen. Gleich zum Einstieg beschied sich Vassilakou mit einem einzigen Stadtratsposten, der ihrer Partei wahlarithmetisch zusteht. Die Furcht, dass Häupl sich doch noch für die geschwächte ÖVP entscheiden könnte, dürfte frühe Zugeständnisse beflügelt haben.

Rot-Grün ist in Österreich ein Novum. Bürgermeister Häupl pflegte zu sagen: "Unter Verwandten soll man nicht heiraten", und neigte der ÖVP zu, sollte er die fast zehn Jahre gehaltene absolute Mehrheit verlieren.

Bei den Wahlen am 10. Oktober verloren alle drei: Die SPÖ sackte auf 44 Prozent ab und verlor die absolute Mandatsmehrheit, die ÖVP erlebte mit unter 14 Prozent ein Debakel und die Grünen rutschten von fast 15 Prozent auf unter 13 Prozent. Schuld waren interne Zwistigkeiten in zwei wichtigen Bezirken. Einziger Wahlgewinner war die rechte FPÖ, die sich auf 26 Prozent fast verdoppeln konnte und seither die Aufnahme in die Stadtregierung reklamiert.

Zu den zentralen Herausforderungen der künftigen Regierung gehört es, die FPÖ, die mit einem einzigen Thema - Ausländer - Stimmung macht, abzuwehren. Es zeugt von einer gewissen Kühnheit, wenn die gelernte Sprachwissenschaftlerin Maria Vassilakou zum Amt der Vizebürgermeisterin ausgerechnet das Integrationsressort für sich beansprucht. Die strengen und im Halbjahresrhythmus weiter verschärften Fremdengesetze sind Bundessache.

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