piwik no script img

KoalitionspokerStadtschloss ohne Schwarz-Geld

Wird der Bau des Humboldt-Forums verschoben? Die Haushälter von CDU und FDP sind dafür, die Kulturpolitiker dagegen. Schlossgegner wollen eine neue Debatte.

Modell für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschloses Bild: dpa

Erst wurde der Wettbewerb kassiert, nun packt Schwarz-Gelb den Sparhammer aus: Die Fans des Berliner Stadtschlosses müssen sich warm anziehen. Laut Medienberichten haben die Haushälter der CDU in den Koalitionsverhandlungen mit der FDP vorgeschlagen, den Bau des Humboldt-Forums um vier Jahre zu verschieben. Ursprünglich war vorgesehen, dass mit dem Bau des 552 Millionen teuren Projekts samt der barocken Schlossfassade 2010 begonnen wird.

Kaum wurde die Nachricht bekannt, begann am Donnerstag zunächst das große Empören. Berlins SPD-Kulturstaatssekretär André Schmitz sagte, das Schloss sei das kulturelle "Grand Projet Deutschlands". Eine Verschiebung des Baus wäre ein "Offenbarungseid".

Ähnlich sieht das auch die Berliner CDU. Den Parteifreunden im Bund schrieb Fraktions- und Landeschef Frank Henkel hinter die Ohren: "Die historische Gestaltung der Mitte der Hauptstadt muss ohne Verzögerung fortgesetzt werden."

Womöglich sind die Reaktionen aber nur ein Pfeifen im Walde. Für Philipp Oswalt, Schlossgegner und Bauhausdirektor in Dessau, kommt die Forderung nach einem Schlossmoratorium nicht überraschend. "Der Bund muss nicht nur entscheiden, ob es einen neuen Architektenwettbewerb gibt, auch die Planungsgrundlagen haben sich verändert." Als Beispiel nennt Oswalt den Wunsch, eine neue Landesbibliothek auf dem Gelände des Flughafens Tempelhof zu bauen. "Eine Bibliothek kann aber auch Teil des Humboldt-Forums sein", so Oswalt.

Auch Thomas Flierl, Kulturpolitiker der Linken, sieht nun die Chance, "ein schlüssiges architektonisches Konzept für das Humboldt-Forum zu finden". Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP zeigten, "dass die Widersprüche zwischen Konzept und Schlossfassade aufgebrochen sind". Flierl plädiert wie die ehemalige Kulturstaatsministerin Christina Weiß dafür, das Schloss "nicht nachzubauen, sondern neu zu bauen".

Grünen-Stadtentwicklungsexpertin Franziska Eichstädt-Bohlig meinte, dass das Projekt auf der Grundlage der bisherigen Planungen nicht lebensfähig sei. Sie verwies außerdem auf den juristischen Streit um den Vertrag mit dem italienischen Architekten Franco Stella. Die Vergabekammer des Bundeskartellamtes hatte den Vertrag für ungültig erklärt. Das Gremium forderte eine Wiederholung des Vergabeverfahrens. Nun muss das Düsseldorfer Oberlandesgericht über den Fall entscheiden.

Der parteilose Finanzsenator Ulrich Nußbaum hingegen würde eine Verschiebung der Schloss-Pläne bedauern, auch wenn sie den Landeshaushalt um den Berliner Anteil an den Baukosten entlasten würde. "Die 32 Millionen würde ich gerne zahlen", sagte er der taz, "denn das Schloss würde eine Wertsteigerung für Berlin bedeuten." Umso mehr, als das Land weniger als 7 Prozent der Baukosten selbst bezahlen müsste.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
  • S
    Schneider

    Klipp und klar

     

    Verzicht auf das Prestigeprojekt von einst!

    Deutschland hat wichtigere Themen.

     

    Der weitere Erhalt der Museumsinsel und anderer

    geschichtsträchtiger Gebäude kosten bereits Unsummen.

     

    Die Stadtmitte in Berlin braucht

    keine herausgeputzten Landschaften aus Stein.

     

    Die Stadtmitte in Berlin braucht Beruhigung.

  • MU
    Martinsdorf Ulrich-Werner

    Immer wieder diese Schloßdebatte.Zur gleichen Zeit wird - fast unbemerkt vom verehrten Publikum - in Berlin eine Geheimdienstzentrale für ca. 1,2 Milliarden EUR hochgezogen. So sehen in Deutschland die Prioritäten aus.

  • M
    Martin

    Stadtschloss ohne Schwarz-Geld. Ist doch ne schöne Meldung.

  • U
    Unglaublich

    Wie wäre es denn abwechslungsweise mal, über die Realität/Wahrheit der Ausschreibung und der Projektvergabe, das "Volk den schlafenden Lümmel" zu informieren. Vergabeverfahren, Struktur der Finanzierung,Auftraggeber, Auftragnehmer, das Netzwerk der Beteiligten, wohin fließen an wen welche Gelder in welcher Größenordnung, Provisionen, Zusammen"spiel" Politik/Minister und Wirtschaft etc.pp. - es würde wohl ein Lehrstück zur aktuellen Wirkungsweise von "Geldumverteilung" in einem neuen Maßstab erkennbar werden. Der Widerstand (mal sehen wer am lautesten schreit?) an einer solchen Transparenz dürfte erheblich sein ...

  • B
    BerlinerKönig

    Wer glaubt, daß das Schloß, so es überhaupt jemals gebaut wird, die geplanten 552 Mill. kosten wird, ist kein Berliner. Das Doppelte mindestens. Die Gesamtkosten werden dann wie beim Hauptbahnhof erst gar nicht veröffentlicht.

    Der normale Berliner Irrsinn.