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Koalitionsbildung in den NiederlandenRegierung von Wilders Gnaden

Lange sträubten sich die Christdemokraten. Jetzt wird es doch ein konservatives Kabinett mit Duldung der Partei des erklärten Islamgegners und Rechtpopulisten Geert Wilders geben.

Rechtspopulist Geert Wilders hat's geschafft - die neue Regierung wird nur noch mit seiner Zustimmung handeln. Bild: dpa

DEN HAAG dpa | Die Niederlande werden künftig von einem rechten Minderheitskabinett regiert, das auf die Duldung durch den erklärten Islamgegner Geert Wilders angewiesen ist. 111 Tage nach den Parlamentswahlen einigten sich die Rechtsliberalen (VVD) und die Christdemokraten (CDA) am Dienstag mit dem Rechtspopulisten weitestgehend auf entsprechende Abkommen. Das verlautete aus Verhandlungskreisen in Den Haag. Der Rechtsliberale Mark Rutte wird voraussichtlich Regierungschef.

Der Entwürfe eines Koalitionsvertrages zwischen VVD und CDA sowie eines Duldungsvertrages beider Parteien mit Wilders' Partei für Freiheit (PVV) sollten noch am selben Tag den Parlamentsfraktionen zur Begutachtung vorgelegt werden. Mit ihrer Zustimmung wird allgemein gerechnet. Am Donnerstag wollen die Verhandlungsführer dann den von Königin Beatrix eingesetzten Vermittler offiziell in Kenntnis setzen.

Bei den Christdemokraten muss der Einigung auch noch ein Parteitag zustimmen, der für Samstag nach Arnheim einberufen wurde. In den Reihen des Christdemokratischen Appells (CDA) hatte es erheblichen Widerstand gegen eine politische Zusammenarbeit mit Wilders gegeben.

Mehrere prominente CDA-Mitglieder hatten den Abbruch der Verhandlungen gefordert. Sie warfen Wilders vor, Muslime aus der Gesellschaft auszugrenzen und damit die verfassungsmäßig garantierte Religionsfreiheit zu verletzen. Die PVV hatte im Wahlkampf neben einem Einwanderungsverbot für Muslime in die EU eine Reduzierung der niederländischen EU-Beiträge und die Streichung von Entwicklungshilfe gefordert.

Die am 9. August begonnen Verhandlungen der rechtsliberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) unter ihrem Fraktionsvorsitzenden Rutte und dem CDA unter dem amtierenden Außenminister Maxime Verhagen mit Wilders' PVV waren wegen der Kritik bei den Christdemokraten zeitweilig ausgesetzt worden. Sie wurden fortgesetzt, nachdem der prominenteste Wilders-Kritiker, der amtierende Gesundheitsminister Ab Klink, sein Mandat niederlegte und die CDA-Fraktion verließ.

Die 2006 von Wilders gegründete PVV hatte bei den Wahlen am 9. Juni 24 der 150 Mandate gewonnen und war drittstärkste politische Kraft geworden. Eine direkte Regierungsbeteiligung des Islamgegners stieß jedoch mit Ausnahme der VVD bei allen Parteien auf Widerstand. Die VVD war bei den Wahlen mit 31 Mandaten knapp stärkste Partei geworden.

Die sozialdemokratische Partei der Arbeit (PvdA) kam auf 30 Mandate. Der Christdemokraten, die mit Jan Peter Balkenende noch den Chef der noch amtierenden Regierung stellen, waren von 41 auf 21 Mandate abgestürzt. Zusammen kommen VVD und CDA auf 52 Mandate, mit der Wilders-Partei auf 76 und damit auf die denkbar knappste Mehrheit von einer Stimme. Für ein linkes Bündnis gibt es keine ausreichende Mehrheit. Bemühungen um eine große Koalition scheiterten an wirtschafts- und sozialpolitischen Differenzen zwischen der VVD und der PvdA.

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8 Kommentare

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  • A
    Arrian

    @Moin. Bill Clinton? Also nein, wirklich nicht. Mich erinnert er irgendwie an Radovan Karadžić. Hat der nicht auch mal gegen die islamische Gefahr gekämpft?

     

    @Dr. Ednaught. Haben Sie eine brauchbare Alternative zum Begriff "Rechtspopulist"? Dann her damit. Nicht nur taz-RedakteurInnen werden für einen fundierten Vorschlag dankbar sein, um dieses Phänomen in Worte zu fassen. Die Selbstbezeichnungen solcher Parteien und Politiker taugen als Begrifflichkeit ja ebenfalls nicht viel, da "Freiheit", "Volk" und "Demokratie" von ihnen eher im orwellschen Sinne gebraucht werden.

  • FM
    Falk Madeja

    @Jo Knapp. Peinlich und unverschämt, der taz ein "rassistisches Geschmäckle" zu unterstellen. Dass Wilders was mit Indonesien zu tun hat, ist nirgendwo ein wichtiges Thema der Berichterstattung. Und was ist denn eine "indonesische Rasse"? Es ist ein Vielvölkerstaat mit vielen Moslems und war mal Kolonie der Niederlande.

     

    Herr Knapp, wenn Geert Wilders für sich Meinungsfreiheit fordert, dann darf das ja wohl jeder im Umfeld der taz auch für sich in Anspruch nehmen. Ich sehe keinerlei Texte in taz und taz.de, die Wilders wegen seiner möglichen Verbindungen zu Indonesien kritisieren. Man wird ja wohl noch sagen dürfen, dass man seine Politik kritisch betrachtet.

  • FM
    Falk Madeja

    Das es diese Regierung geben wird, steht noch nicht fest.Am Samstag soll es einen Kongress der Christdemokraten geben. Der muss dem Konstrukt zustimmen. Weil die Mehrheit der VVD-CDA-PVV-Konstruktion aus nur einem Sitz besteht, bleibt es instabil.

     

    Mehr auf http://www.taz.de/blogs/meineguete und http://www.allaboutgeertwilders.net.

  • NF
    Norman Frey

    Eine Koalition wäre wohl besser gewesen, die hätte Wilders vielleicht entzaubert. Ein stark ausgeprägter Neoliberlaismus ist von diesem Dreierbündnis ohnehin zu erwarten.

  • M
    Moin

    das Bild wirkt in der Tat unvorteilhaft - Wilders sieht darauf aus wie Bill Clinton.

  • DE
    Dr. Ednaught

    Geerd Wilders ist ein Spielverderber. Wie gerne würde Presse aus dem Herrn einen deutschen Nazi machen – nur leider ist Wilders Holländer und verteidigt die westlich-demokratischen Werte.

    Nicht einmal als Nationalist kann Wilders diffamiert werden, er ist mit einer Ungarin verheiratet. Antisemit? Passt auch nicht, Wilders hat jahrelang in Israel gelebt.

    Bliebe noch der (von gewissen Kreisen) gerne genommen Vorwurf er gehöre fundamentalistische Christen an. Dummerweise ist dieser jedoch aus der Kirche ausgetreten….

    Schwulenhasser! Nein, wieder ein Fehlschuss. Wilders setzt sich explizit für die Rechte von Homosexuellen ein (die im Iran bestenfalls am Baukran hängend gerne gesehen sind).

     

    Was bleibt der Presse? Richtig, ein neuer Kampfbegriff: RECHTSPOPULIST.

     

    Muss etwas sehr ekliges sein, welcher Politiker (oder welcher Lohnschreiber) ist schon gerne populär bzw. populistisch. „Rechts“ muss aber wenigstes stimmen… aber er tritt für die Rechte von Frauen und Homosexuellen ein....

  • E
    Eralp

    Das hört sich aber nicht nach einer gesunden Koalition an..

     

    Das werden verlorene Jahre für die Nierländer sein, in denen das Land mit politischem Kindergartenverhalten belästigt wird..

  • JK
    Jo Knapp

    Mir fällt wiederholt auf, dass die "taz"-Redakteure extrem unvorteilhafte Bilder von Wilders auswählen bzw. herstellen. Angesichts der Tatsache, dass Wilders Sohn einer indonesischen Mutter ist komme ich nicht umhin, der "taz" ein rassistisches Geschmäckle zu attestieren, wenn man jemand mit multikulturellem Hintergrund derart böswillig schlecht in der Öffentlichkeit abbildet. Dieses Vorgehen ist nämlich geeignet, Ressentiments gegen Menschen mit Zuwanderungs- und ethnischem Mischungshintergrund zu schüren.