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Klotzen statt StadtEin sehr spezieller Spatenstich

Nach langen Verzögerungen beginnt die Bebauung des Bahnhofsvorplatzes. Als Bürgermeister hat Carsten Sieling ein Herz für Hochhäuser entdeckt.

Jetzt ist klar: Max Dudlers Entwürfe lösen sich nicht in Rauch auf. Foto: hb

Fast hätte der Investor den Baubeginn doch wieder verpatzt – oder zumindest verpasst. „Das Buffet ist eröffnet“, ruft Achim Griese im Festzelt am Bahnhofsvorplatz, auf dem er zwei Siebenstöcker errichtet, ein sehr umstrittenes und immer wieder verzögertes Projekt. Dass Griese im Taumel der Lob- und Preisreden nun sogar den ersten Spatenstich vergisst, den Anlass der Feierei, fällt ihm erst später auf. Dann jedoch greift er mit Bürgermeister und Bausenator entschlossen zum Spaten, begleitet von „Schande, Schande“-Rufen von jenseits des Bauzauns.

Die Befürworter, zu denen auf allen politischen Ebenen auch die Grünen gehören, hatten stets argumentiert, der Platz bekomme erst durch eine Bebauung Form und Atmosphäre. Fragt sich nur: welcher Platz? Die Zwillings-Hochhäuser stellen keine Rand- oder Kantenbebauung dar, sie werden den Platz fast vollständig bedecken. Seitlich soll ein lediglich sechs Meter breiter Streifen bleiben, Richtung Bahnhof rücken die Gebäude bis hart an die Bahn-Haltestellen heran.

Also soll es die zwischen den Gebäuden gelegene Gasse optisch richten, für die habe er sich seit Langem eingesetzt, sagt Bürgermeister Carsten Sieling bei der Eröffnung – der im Übrigen, wie er betont, „schon immer“ für eine Bebauung des Platzes gewesen sei, nur eben mit Sichtachse zum Bahnhof. Er stehe „voll hinter den Entwürfen des Architekten Max Dudler. Die Behauptung, er habe sich als Bürgermeister vom Bebauungs-Sauĺus sozusagen zum Dudler-Paulus gewandelt, sei „eine Märchengeschichte“.

Im Festzelt ein Bürgermeister, der sagt, er werde „immer wieder falsch zitiert“, vor dem Bauzaun Menschen, die ihm „Verrat“ vorwerfen: Wer hat Recht?

In den Plenarprotokollen der Bürgerschaft muss man ein Weilchen blättern, aber dann – 2002 – findet sich Einschlägiges: „Ich bin heilfroh, dass das Thema einer Hochhausbebauung auf dem Bahnhofsvorplatz, was ich immer für wahnsinnig und falsch gehalten habe, vom Tisch ist“, sagte Sieling in seiner Funktion als baupolitischer Sprecher der SPD.

In der Tat spricht er sich in der selben Debatte grundsätzlich für eine Bebauung samt „öffentlichem Durchgang“ aus – aber sind die nun entstehenden Siebenstöcker etwa keine Hochhäuser? „Der damals geplante riesige Klotz für Tchibo verhält sich zu Dudlers ambitionierten Entwürfen wie Tag und Nacht“, sagt Sieling auf Nachfrage – er sehe daher „keinen Widerspruch“ zwischen seinen Aussagen. Dudler baue „ein goldenes Tor zur Innenstadt“.

Bei so viel Bürgermeister-Lob darf auch der Investor dick auftragen: „Hier entsteht einer der attraktivsten Bahnhofsvorplätze der Republik“, verspricht Griese. Die unterlegene Vision eines begrünten Platzes wird derweil unfreiwillig auf den Baumaschinen zitiert: Überall prangen große Margeriten, das Logo der Tiefbaufirma. Freilich erinnern die Blumen auch an das Hygiene-Sortiment der Kette „dm“, die hier einziehen wird, zusammen mit Woolworth, Rewe, Va piano, sehr vielen Parkhaus-Autos und zwei Hotels. 70 Prozent der Flächen, so Griese, seien bereits vermietet.

Ende 2017 soll alles fertig sein. Vorsichtshalber hat das Bauressort seine Genehmigung, die ursprünglich auf 2016 befristet war, schon bis 2018 verlängert.

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3 Kommentare

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  • An LUMA:

    Ja, auch ich war am Überlegen.

    Als ich dann im ersten Kommentar las: "Überseemuseum" war's klar: Bremen

  • Wenn das alles eine solch' tolle Erfolgsstory werden wird, warum nicht den Vorplatz vor dem Übersee-Museum auch mit einem siebenstöckigen Gebäude beglücken.

    Auch dort: Mit dazugehörenden Tiefgaragen, einen Supermarkt, Büro's und Hotelbetten.

    Dann wird wenigstens ein Schuh daraus.

     

    Der Kardinalfehler ist und bleibt, daß das Grundstück Bahnhofsvorplatz nicht auf Erbpacht vergeben wurde. Nun wird jeder Eigentümer, wie ein Stachel in der Stadt auf Grund und Boden der Bremer Bürger und ihrer nachfolgenden Generationen, damit verfahren können, wie es ihm wirtschaftlich gefällt. Mitsprache bleibt aussen vor.

  • Verzeihung, kann man i r g e n d w o im Artikel erkennen, um welchen Bahnhofsvorplatz es sich handelt ??