Kunst im öffentlichen Raum: Bloß keine Stadtmöblierung!

„Im Inneren der Stadt“ hinterfragen drei Bremer Kunstinstitutionen den öffentlichen Raum auf wunderbare leichte und hintersinnige Weise

Ein Binokuklar ohne Münzfunktion

„Schau da!“, ein „Binokular ohne Münzfunktion“ von Z.Schmidt Foto: GAK

BREMEN taz | Wahrscheinlich haben Sie die Ausstellung schon gesehen: „Im Inneren der Stadt“. Also, ein bisschen jedenfalls, und ohne es so richtig zu wissen. Ohne diesen mal eher gelangweilt-abschätzigen, mal eher ehrfürchtig-bildungsbürgerlichen Blick, den viele erst mal auf Kunst haben, gerade auf zeitgenössische.

An der Schlachte zum Beispiel steht, am Rande der Kneipenmeile, gegenüber der Weserburg, ein blaues Fernglas. Die Künstlerin Z. Schmidt hat es da hingestellt. Durchgucken kost‘ nix. Und es passiert auch nix, wenn man‘s tut. Du gehst vorbei, wunderst dich kurz, folgst deiner Neugier (oder auch nicht), guckst Schiffen nach, Männern beim Pissen zu oder einfach auf den Teerhof. Bist irgendwie ein wenig irritiert. Genau darum geht es auch! Und nicht um die ewige Frage, ob das jetzt große Kunst ist oder nicht.

Klar, die Frage, was nun die richtige Annäherung an „Kunst“ ist, die schwingt hier mit. Und die andauernde, quälend lange Debatte um den Ort, an dem sie hier in Bremen stattfinden soll. Es ist ja kein Zufall, das sich hier alle drei um den Teerhof herum versammelten Kunst-Institutionen zu einem Ausstellungsprojekt zusammengefunden haben: „Im Inneren der Stadt“. Sie wollten einmal die viel beschworene Kooperation mit Leben füllen und doch von der Frage wegkommen, ob die Weserburg nun an Ort und Stelle bleiben soll oder nicht.

Alles umsonst & draußen

Am radikalsten lebt diese Idee gerade das ebenda beheimatete Zentrum für Künstlerpublikationen aus, das im Grunde einzige Museum im Museum Weserburg, das sonst eher versteckt ist, in vielerlei Hinsicht. Sein Beitrag zu dieser Ausstellung ist fast ausschließlich umsonst und draußen zu sehen, verteilt über die ganze Stadt, von Vegesack bis Sebaldsbrück. In einem „Call for Posters“ hat das Studienzentrum Leute aus aller Welt eingeladen, natürlich auch ein paar renommierte. Plakate, ja: selbst solche von KünstIerInnen, sind ja auch nicht dafür gemacht, dort zu hängen, wo wir sie meist finden: im Museum. Also kleben sie jetzt auf großen Werbeflächen, an Litfaßsäulen, an Stromkästen. Und, in ganz konzentrierter Form, an dem 400 Meter langen Bauzaun am Bahnhofsvorplatz – dort, wo seit Langem ein neues, sehr langweiliges Hochhaus mit Büros und Konsummeile entstehen soll. Über 150 großformatige Plakate von etwa 50 KünstlerInnen aus aller Welt sind da in einer öffentlichen Galerie versammelt. Fast will man jenen dankbar sein, die uns diese Baustelle zumuten.

Eigener Radiosender

Dazu gibt es „stay with me“, ein Projekt, in dem über 80 KünstlerInnen in Kladden, Büchern, Zeichnungen oder Notizen ihre Erfahrungen mit den Gezi-Park-Protesten in der Türkei verarbeiten. Und sogar einen eigenen Radiosender gibt es: www.radio-im-fluss.net, ein Internetradio, dass aber erst mal nur eine Stunde pro Woche sendet – dienstags, ab 21 Uhr –, ansonsten aber auch ein Forum für Radiokunst werden soll.

Überhaupt bewegen sich die Ausstellungen erfreulich weit von jenem weg, was man gemeinhin mit Kunst im öffentlichen Raum verbindet: bestenfalls neutrale, meist aber eher langweilige Stadtmöblierung zu Dekozwecken, die niemanden wirklich stört, aber auch mal als Kinderspielplatz taugt. Ja, auch hier kommt manches ein wenig arg vergeistigt rüber, der doppelte Schriftzug „Try“ von Kate Newby an der Schlachtemauer etwa, der 2010 hier schon einmal zu sehen war, damals aber, Beuys im Sinn, von Reinigungskräften vorzeitig entfernt wurde.

Behördenblumenkübel in Beton

Anderes aber, in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK), ist ungemein leicht, herrlich unmittelbar und liebenswert ironisch. Die in Beton gegossenen Behördenblumenkübel mit Zimmerpalmen von Tim Reineke etwa oder die Pflastersteine von Chisa & Tkacova, die du unwillkürlich anfassst, als ob sie echt wären – doch sie sind aus Porzellan, handbemalt. Man darf sie sogar kaputt machen!

Während es aber bei der GAK und im Zentrum für Künstlerpublikationen lauter konkrete Bezüge zur Stadt, zu Bremen gibt – geht das Künstlerhaus einen ganz anderen Weg. Hier geht es um die Erweiterung des öffentlichen um den digitalen Raum – damit aber auch gleich weltumspannend um alle großen Fragen, die sich damit verbinden. Die wiederum werden alle nur angeschnitten, irgendwie. Ein Video zeigt ein Hotel in Hongkong, in dem Edward Snowden mal arbeitete, zusammen mit einem lärmenden Server, den er früher mal benutzte. Gleich daneben geht es um künstliche Intelligenz, Immobilienspekulation oder den Weg, den öffentliche Fotos im Netz nehmen. Und so weiter. Im Grunde sprengt das den Rahmen dieser Ausstellung und der Kooperation. Sehenswert ist‘s trotzdem. Und achten Sie beim Reingehen auch auf die Blumen!

Bis 11. Oktober in der GAK, dem Museum Weserburg und dem Künstlerhaus Bremen - und an vielen Orten in der Stadt. Am 8. August (Waller Park) udn am 12. September (Schlosspark Sebaldsbrück) gibt es von 13 bis 15 Uhr ein Radiopicknick.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.