Klinikverband in Bremen: Chaos beim Klinik-Neubau

Mit der Stärkung der Führungsspitze sollen die kommunalen Kliniken fusionieren und ihr Problem auf der Baustelle Klinikum Mitte in den Griff bekommen.

Mangelnde Transparenz, Stillstand und "chaotische Gesamtplanung": der Neubau des Klinikums Mitte. Bild: kawe

Nach einer Sondersitzung seines Aufsichtsrats konnte der kommunale Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) in Bremen gute Nachrichten verbreiten: Die organisatorische Verschmelzung der vier Häuser zu einer zentral geleiteten Klinik kommt voran.

Erst einmal wird dafür die Geschäftsführung verstärkt – statt wie bisher zwei soll es vier Geschäftsführer geben. Einen der neuen Posten wird der bisherige Leiter des Neubaus am Klinikum Mitte, Robert Pfeiffer, erhalten, der damit in die oberste Etage aufrückt. Pfeiffer war früher kaufmännischer Geschäftsführer des Klinikums Mitte.

Wann es auf dieser Baustelle weitergeht, wie viel teurer es für den Bauherrn wird, weil aufgrund des langwierigen Konfliktes und am Ende der Kündigung der Trockenbaufirma die Baustelle teilweise über Monate still steht, das konnte der Bauleiter dem Aufsichtsrat nicht sagen. Klar ist aber offenbar, dass der Generalplaner vom Büro Ludes nicht vor die Tür gesetzt werden soll. Mit diesem Gedanken muss Pfeifer gespielt haben, als er ein externes kritisches Gutachten über die Probleme auf der Baustelle bestellte.

Was der Bausachverständige Ralf Schröder da zu Papier brachte, zeigt ein gruseliges Bild von der Großbaustelle. „Schäden in kaum vorstellbaren Dimensionen“ diagnostizierte er, „gravierende Überschreitungen der Baukosten und der Bauzeiten“ drohten. Der Generalplaner habe seine Pflichten „deutlich unzureichend erbracht“.

Ein alter Bekannter aus der letzten Bremer Klinik-Affäre macht derzeit gerade Karrierepläne: Gotthard Brand will am 1. 1. 2015 neuer CDU-Bürgermeister von Hofgeismar werden.

In den Akten des Bremer Untersuchungsausschusses "Klinikaffäre" tauchte Brand 2009 auf, weil er sich als Jurist und "Strohmann" für den Bremer Klinik-Chef Andreas Lindner nützlich gemacht hatte. Lindner hatte als Chef des Klinikums Bremen-Ost mit der Klinik Siekertal für Bremen unvorteilhafte Geschäfte gemacht.

Besitzer der Siekertal-Klinik war Lindner selbst. Das fiel damals nicht auf, weil Brand als "Treuhänder" diente. Dass die Staatsanwaltschaft 2009 wegen "Beihilfe zur Untreue" gegen den Anwalt ermittelte, schadete seiner Polit-Karriere wenig. 2011 wurde Brand CDU-Fraktionsvorsitzender in Hofgeismar.

Die Trockenbau-Firma hatte allein für Stillstandszeiten und geforderte „Beschleunigungen“ – also Kosten aufgrund von Planungsfehlern – 1,5 Millionen Euro verlangt – zu Recht, findet der Gutachter. Als der Gutachter auf der Baustelle war, standen da zum Beispiel 40 Trockenbau-Arbeiter aus Portugal herum, weil die Planvorgaben „nicht fachgerecht“ waren. Konkret: „Keine brauchbaren Werkzeichnungen“, Feuchtigkeit im Rohbau, weil die Gebäudehülle „nicht dicht“ sei, Angaben für Installationen undeutlich. Dass Elektroleitungen durch Brandschutzwände geführt wurden, hatte schon der TÜV moniert.

Dass die Trockenbaufirma eine „chaotische Gesamtplanung“ beklage, sei nachvollziehbar, findet der Gutachter. Und dann schrieb er an den Planungschef der Geno, der – Pfeiffer – greife nicht durch, sondern lasse sich „mit Ausreden, falschen Behauptungen, Inkompetenz und Untätigkeit“ von „unfähigen und unmotivierten“ den Mitarbeitern des Generalplanungsbüros hinhalten. Das war vor einem halben Jahr, am 2. 11. 2013.

Bauplaner Pfeiffer entgegnete dem sachverständigen Gutachter, der möge seinen „verbalen Radikalismus“ zügeln – und bestellte andere Gutachter. Inzwischen wurde nicht das Büro des Generalplaners gekündigt, sondern die Trockenbaufirma – wegen Untätigkeit. Und der wegen seiner Untätigkeit von dem vereidigten Gutachter angegriffene Bauplaner Pfeiffer wurde befördert. So will man sich die hohen Kosten und Bauverzögerungen „sparen“, die der Wechsel eines Generalplaners bedeuten würde.

Der Neubau an der Bismarckstraße ist nicht die einzige „Baustelle“, die der kommunalen Geno über den Kopf zu wachsen droht. Der Rechnungshof hat ein Sondergutachten über die finanzielle Lage der kommunalen Kliniken vorgelegt, in dem es zusammenfassend heißt: „Die Geno ist ein Sanierungsfall, eine Sanierung erscheint aber auch möglich.

Scheitert die Sanierung, kommen nicht tragbare finanzielle Lasten auf Bremen zu.“ 38 Millionen Euro betrage die summe, mit der die Geno-Kliniken in ihrer Kostenstruktur über der Kostenstruktur vergleichbarer Kliniken lägen. Allein die Personalkosten lagen 2012 um 7 Millionen Euro über Plan.

Nicht in den „patientennahen Bereichen“ gebe die Geno für ihr Personal mehr Geld aus als vergleichbare kommunale Kliniken, sondern im Verwaltungsbereich. Um 20 Prozent höher als der Durchschnitt lägen die Kosten für den „medizinischen Sachbedarf“. Während die Geno selbst derzeit schon für das Jahr 2017 insgesamt 22 Millionen Euro Verlust einplant, schätzt der Rechnungshof, dass diese Summe deutlich höher ausfallen könnte – zumal die Investitionen nur zum Teil in den Finanzplanungen hinreichend berücksichtigt seien.

Trotz der bisher vom Senat beschlossenen Zuwendungen von rund 150 Millionen Euro, so der Rechnungshof, kann die Geno bisher nicht Rücklagen für das 2030 fällige Darlehen über 100 Millionen Euro bilden. Auch für diese Summe bürgt am Ende die Stadt.

Der Neubau an der Bismarckstraße ist derzeit eines der größten Klinik-Baustellen in Deutschland. Geplant sind rund 750 Betten auf 49.000 Quadratmetern Fläche. Die Wetten über die Kosten, die anfangs mit 230 Millionen Euro beziffert wurden, haben sie 300-Millionen-Grenze bereits deutlich überschritten.

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