Staatsrat im Klinik-Ausschuss: Der erste Zeuge

Beim Untersuchungsausschuss zur Kostensteigerung und Bauverzögerung des Teilersatz-Neubaus am Klinikum-Mitte begann die Beweisaufnahme. Eintritt frei.

Grandios als souveräner Verwaltungsbeamter: Finanz-Staatsrat Henning Lühr. Bild: dpa

BREMEN taz | Ein „Blitzlichtgewitter“ eröffnete den ersten Akt. So nannte es zu Beginn der Beweisaufnahme im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Zeremonienmeister (überragend gespielt von Björn Fecker, Die Grünen). Aufgedeckt werden soll im zweiten Teil der Reihe „Ausschüsse über Missstände am Klinikum Bremen-Mitte (KBM)“ der heikle Fall eines Teilersatzneubaus, dessen Fertigstellung sich um Jahre verzögert und statt 200 nun über 300 Millionen Euro kosten wird. Auf die Premiere am Dienstag im fast vollbesetzten Sitzungssaal 416 hatten sich die Abgeordneten durch Aktenstudium wochenlang vorbereitet.

Henning Lühr (SPD) betrat als „erster Zeuge“ den Saal. Als Finanz-Staatsrat und Aufsichtratsmitglied des KBM sollte er beichten, was zum ganzen Schlamassel führte – dem langen Stillstand auf der Baustelle, der Kostenüberschreitung, der Kündigung der Trockenbaufirma und vielem mehr.

Fecker stieg ein. Warum 2008 eine „Dialogphase“ endete, in der ein Investor in einem Public-Private-Partnership-Modell (PPP) gefunden werden sollte, verhörte er Lühr. „Weil keine Angebote vorlagen“, entgegnete der und spielte den souveränen Verwaltungsbeamten. Als Komplizin des Vorsitzenden bohrte Antja Grotheer für die SPD im Detail: „Wenn sie noch mal Band Hunderteinundsiebzig-Einundneunzig aufschlagen, dort gibt es einen Vermerk“, begann sie ihre Tortur durch die Akten.

Hier eilte Barbara Schneider dem Zeugen zu Hilfe, in der Rolle als einer von vier VertreterInnen der „Neutralen“ vom Ausschussdienst, deren Tische vor den Fenstern aufgebaut waren. Mittig prangte darauf ein faustdickes Buch: die „Strafprozessordnung“. Ein ironisch-spielerischer Hinweis, dass Zeugenvernehmung von Untersuchungsausschüssen strengen Regeln unterliegen und Falschaussagen strafbar sind. Ohnehin haben sich Hausverwaltung und Bewirtungsdienst der Bürgerschaft bei dieser 850.000-Euro-Inszenierung übertroffen: In gebrochenem Zitat von Da Vincis „Última Cena“ saßen zwölf Abgeordnete an langer Tafel, ohne Messias und Tongeschirr, dafür mit Tafelwasser und Kaffeekannen.

Als ewige Gegenspieler traten nun „die beiden Rainer“ auf: Für die CDU-Fraktion Rainer Bensch an dem einen, für die Linkspartei Klaus-Rainer Rupp am anderen Ende der Tafel. Sie duellierten sich im ewigen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen der Beteiligung privater Investoren gegenüber einer allein staatlichen Finanzierung. Der eine, Bensch als PPP-Befürworter, wollte wissen, ob nicht bereits 2007, als noch mit privaten Partnern verhandelt wurde, falsch kalkuliert worden sei, was Lühr deutlich zurückwies.

Der andere, Rupp, wollte darauf hinaus, dass private Investoren und ein PPP-Modell ohnehin nicht die Lösung allen Übels hätten sein können. Tatsächlich bestätigte Lühr, dass „viele der Mehrkosten durch zusätzliche Risiken und absichtliche Änderungen aufgetreten“ seien, etwa die hygienetechnischen Umplanungen nach dem Keimskandal oder die unerwartet aufwendige Bomben-Beseitigung. Und dass dies wohl in jedem Fall Zusatzkosten verursacht hätte.

Kurz vor Ende des ersten Aktes dann reißt im Hintergrund über Bremens Marktplatz-Kulisse der Himmel auf. Christian Weber schreitet hinter der Fensterfassade vorüber und sorgte mit einem dezenten Cameo-Auftritt für den eigentlichen Höhepunkt.

Nächste Aufführung: 9. 10., Börsenhof A, Großer Saal
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