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Klinik macht Journalisten mundtotPatientenzufriedenheit? Effizienz!

Der Krankenhauskonzern Asklepios untersagt einer Göttinger Lokalzeitung, kritisch über Missstände in zwei Kliniken zu berichten.

Weiß er, was er tut? Asklepios spare an qualifiziertem Fachpersonal, kritisiert Verdi Bild: dpa

GÖTTINGEN taz | Nach Artikeln über Missstände in zwei seiner psychiatrischen Kliniken in Südniedersachsen lassen die Hamburger Asklepios-Kliniken dem Göttinger Tageblatt die weitere Verbreitung von Aussagen, die Mitarbeiter und Patienten gegenüber der Lokalzeitung gemacht hatten, gerichtlich untersagen.

Zudem wurde das Göttinger Tageblatt verpflichtet, einen mit „Patienten und Mitarbeiter gegen Asklepios“ überschriebenen und auf der Website der Zeitung online gestellten Bericht wieder aus dem Netz zu nehmen.

In den Jahren 2006/2007 hatte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung in Niedersachsen gegen den massiven Protest von Oppositionsparteien, Gewerkschaften und Patienten-Initiativen acht der zehn Landeskrankenhäuser (LKH) zur Behandlung psychisch Kranker verkauft. Das LKH Göttingen und die in der Nähe gelegene kleinere Klinik Tiefenbrunn gingen an Asklepios. Der in Hamburg ansässige Konzern betreibt bundesweit mehr als 100 Krankenhäuser.

Der Tageblatt-Bericht, der nun nicht mehr veröffentlicht werden darf, beruhte nach Angaben der Redaktion auf Hinweisen von rund einem Dutzend Informanten, darunter Patienten, Pflegekräfte und Mediziner. Sie schilderten unter anderem die Auswirkungen von Sparmaßnahmen in den Göttinger Asklepios-Häusern.

Ulrich Streeck, der frühere ärztliche Leiter der Klinik Tiefenbrunn, berichtet etwa über Patienten, die nach der Schließung der hauseigenen Bewegungsbäder ihre wassergymnastischen Übungen in einem öffentlichen Schwimmbad absolvieren mussten.

Hauptsache, die Rendite stimmt

„Nicht mehr die medizinische Versorgung hat Priorität“, erklärte Streeck, „sondern die Ökonomie. Ihr ist die medizinische Versorgung abhängig nachgeordnet.“

Auch von einer Gruppe externer Therapeuten, die mit den Asklepios-Kliniken zusammenarbeiten, setzte es Kritik. Sie verfolgten „mit großer Besorgnis die Verschlechterungen der stationären psychiatrischen Versorgung der Patienten seit Übernahme der Landeskrankenhäuser durch die Asklepios-Gruppe.“

Ver.di hatte bereits im vergangenen Jahr eine stark gestiegene Arbeitsbelastung für die Beschäftigten der Göttinger Häuser sowie die „zunehmende Anstellung von Hilfskräften anstelle von voll qualifizierten Fachkräften“ bemängelt. Auf dem Onlineportal klinikbewertungen.de schneidet die Göttinger Fachklinik bei den Patientenbewertungen schlecht ab.

Während Journalistenanfragen zu den Vorwürfen von Asklepios unbeantwortet blieben, macht der Konzern auch auf einen Leserbriefschreiber des Göttinger Tageblatts Druck, der einen kritischen Kommentar zur Unterbringung von Hamburger Asklepios-Mitarbeitern in den Göttinger Kliniken geschrieben hatte. Von Asklepios beauftrage Anwälte forderten den Leser auf, eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben.

Asklepios-Anwälte: "Schmähkritik"

Aus Sicht der Anwaltskanzlei handelte es sich dabei um „Schmähkritik“ und „üble Nachrede“. Der Leserbriefschreiber sei deshalb „zur Unterlassung sowie zum Schadenersatz und zum Widerruf verpflichtet“. Für den Fall, dass die Erklärung nicht unterschrieben werde, drohten die Asklepios-Advokaten mit Schadenersatzklagen und „weitergehende(n) Maßnahmen“.

Unterdessen wurde bekannt, dass das Land die LKH seinerzeit für einen Schnäppchenpreis verschleuderte. Statt der eingenommenen 102 Millionen Euro waren die Häuser zwischen 343 und 378 Millionen Euro wert, konstatierte der Landesrechnungshof.

Der Göttinger SPD-Unterbezirk will nun erreichen, dass die Landesregierung den Verkauf der damaligen Landeskrankenhäuser Göttingen und Tiefenbrunn rückgängig macht – ob ein Rückkauf rechtlich und wirtschaftlich überhaupt möglich ist, ist allerdings völlig unklar.

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3 Kommentare

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  • A
    Anonym

    Ich bin selber als Krankenschwester bei Helios angestellt und weiß wie es abgeht. Es geht nur ums Geld, die Versorgung der Patienten ist der Chefetage komplett egal, es werden fast täglich neue Vorschriften gemacht, das Reinigungspersonal hat wenige Minuten Zeit für ein Zimmer inkl. Bad, regelmäßig wird zwar überprüft und bemängelt ( vom helios konzern persönlich) wie schmuzig es teilweise ist, die ursachen (viel zu wenig personal) werden aber nicht behoben. Krankenhäuser zu privatisieren ist die größte Dummheit seit langem, früher oder später wird das hoffentlich/leider jeder merken.

  • MW
    Meinungsfreiheit, wie Asklepios sie versteht....

    So sehen sie also aus, die Resultate der Klinikprivatisierungen:

     

    - gnadenlose Gewinnmaximierung auf dem Rücken von Krankenhausmitarbeitern und Patienten

     

    - sprichwörtliche oder im wahrsten Sinne des Wortes "blutige" Entlassungen

     

    - Kritiker sollen mit dem Totschlagsargument "Schmähkritik" mundtot gemacht werden

     

    Ermöglicht hat die im taz-Artikel jetzt beschriebenen Zustände letztlich die niedersächsische Landesregierung unter ihrem damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff.

     

    Vermutlich hätte es eine SPD-geführte Landesregierung aber auch nicht wesentlich anders gemacht.

     

    Die Bürger dieses Landes werden vom neoliberalen Parteienkartell an die Interessen von Investoren verraten und verkauft.

  • H
    Hobosapiens

    “Journalism is printing what someone else does not want printed: everything else is public relations.”

     

    ― George Orwell