Bernhard Pötter
Wir retten die Welt
: Vom Himmel hoch, da kommt es her

Was bedeutet eigentlich das „Nieder“ in Niedersachsen? Jetzt ist es klar: Niedersachsen ist da, wo sich die Keller volllaufen lassen, wenn es mal ein paar Tage am Stück regnet. Und nicht nur die Keller: Talsperren saufen ab, Flüsse erwachen und verlassen ihr Bett, Deiche durchweichen, Überflutungsgebiete machen ihrem Namen alle Ehre, die Feuerwehr wird zur Wasserwehr. Entlang von Flüssen, deren Namen man plötzlich kennenlernt, entstehen neue Feuchtgebiete und Pop-up-Moore.

Schlimm genug. Menschen sind in Gefahr, die Schäden an Straßen, Brücken und auf Feldern groß. Aber erstaunlich ist, wie erstaunt die Menschen sind. Wie laut die Ursachen für diese Katastrophe verschwiegen und ignoriert werden. Und wie wenig wir alle realisieren, dass das keine Ausnahme, sondern der Normalzustand ist.

Noch fehlen genaue Fakten, wie viel Klimawandel in diesem Hochwasser steckt. Aber klar ist: Es passt genau ins Muster. Es gibt frei zugänglich all die Gutachten und Berichte: Wärmere Atmosphäre bedeutet mehr Feuchtigkeit in der Luft, die Winter werden wärmer und nasser, mehr Extremwetter wie Starkregen und Dürre stehen ins Haus. Oder besser: Sie stehen schon kniehoch im Haus, nämlich im Keller.

Überall in den Medien sehe ich allerdings: lange Berichte über die Wassermassen, die Maßnahmen, die Hilfsbereitschaft. Kaum etwas zu möglichen Ursachen. Sonst überschlagen sich sofort die Analysen: Wenn an Silvester eine Mülltonne brennt, wird laut über verfehlte Migrationspolitik debattiert; wenn die Börse mal schwächelt, wird schnell nicht mit Aktien, sondern Vermutungen spekuliert. Aber ein Bericht dazu, was und warum da jetzt so alles vom Himmel hoch runterkommt? Eher nicht.

Denn das hieße ja: Anerkennen, dass wir bereits mitten in der Klimakrise leben. Dass es um Future geht, auch von Saturday bis Thursday. Oder dass eine Regierung in Stadt, Land, Fluss vielleicht sogar – verwegener Gedanke – den Klimanotstand nicht nur erklärt, sondern auch entschlossen bekämpfen müsste. Dafür reicht es aber eben nicht aus, in der Bundesregierung eine Strategie zur Klimaanpassung zu verabschieden. Bis diese Zeitenwende nicht nur durchs Ministerium von Öko-Steffi geschwappt ist, wird noch viel Wasser die Leine herunter durch die Innenstädte fließen.

Vielleicht sind wir aber mal wieder viel weiter als die Ampelmännchen und -frauchen an den Schleusentoren der Macht: Auf dem Weihnachtsmarkt in Göttingen jedenfalls laufen mir zwei Menschen über den Weg. Auf ihren Mützen steht nicht wie sonst „Schietwetter“ – sondern „Schietklima“. Na bitte. Geht doch.