Klimavortreffen in Bonn: Das kann ja heiter werden
Die letzte Zwischenkonferenz vor dem Pariser Klimagipfel löst keine Probleme. Denn im Abschlussdokument werden alle Entscheidungen vertagt.
Alle großen Streitfragen bleiben ungelöst. „Die entscheidenden Punkte können nicht von den Verhandlern gelöst werden“, sagte Elina Bardram, Chefin der EU-Delegation. „Das muss politisch entschieden werden.“
Das neue Dokument ist die Grundlage für den UN-Klimagipfel von Paris Anfang Dezember. Dort wollen 195 Staaten einen globalen Klimavertrag schließen, der ab 2020 gelten und gewährleisten soll, dass der Klimawandel bis 2100 auf höchstens zwei Grad Celsius begrenzt bleibt. Das Papier hat nun 55 Seiten und gilt als viel zu umfangreich für wirksame Verhandlungen in Paris. Vor diesem Szenario hatte im Sommer der französische Staatspräsident Francois Holland gewarnt: In Paris solle es „kein Drama in der letzten Minute geben“, beschwor er die Staaten. Genau danach sieht es nun aber aus.
Die beiden Vorsitzenden der Konferenz, der US-Amerikaner Dan Reifsnyder und der Algerier Ahmed Djoghlaf, hatten am Beginn der letzten Woche ein kurzes Papier von 20 Seiten vorgelegt. Dafür waren sie von vielen Staaten und Umweltgruppen harsch kritisiert worden, weil diese viele wichtige Punkte nur unzureichend angesprochen sahen. Jetzt stehen alle umstrittenen Fragen wieder in dem Papier – mit mehreren Optionen, für die in Paris Kompromisse gefunden werden müssen.
Die umkämpften Punkte
Besonders umkämpft sind die Finanzierung des Klimaschutzes, die Reduktion der Emissionen, der Ausgleich für Klimaschäden in armen Ländern und eine Formulierung zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen. Zur Finanzierung etwa finden sich völlig gegensätzliche Positionen: Mal sollen nur die Industrieländer für Klimaschutz zahlen, mal alle Länder, die es sich leisten können; ein anderer Punkt fordert Steuern auf Kohlenstoff, was auf keinen Fall mehrheitsfähig ist – aber im Pariser Poker dann als Verhandlungsmasse genutzt wird.
„Hier wurde verhandelt, als gäbe es keine drängenden Probleme“, kritisierte die Umweltorganisation Greenpeace. Die Realität im Klimawandel zeigte sich zeitgleich zur Konferenz in dem Sturm, der am Beginn der Verhandlungen auf den Philippinen wütete und im Monster-Hurrikans „Patricia“, der gerade Mexiko bedroht. Am 30.Oktober will die UN daher in Berlin darstellen, wie weit die bisher vorgelegten Klimapläne der Länder hinter der Anforderung an echten Klimaschutz zurückbleiben. Eine Zusammenstellung der etwa 150 nationalen Pläne wird zeigen, dass die Welt auf dem Weg zu einer Erwärmung von etwa drei statt der gerade noch akzeptablen zwei Grad ist.
Die Delegierten verhandelten in Bonn praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, weil auf Antrag Japans frühzeitig die Nichtregierungs-Organisationen und die Medien ausgeschlossen wurden. Weder die USA noch die EU hatten auf Transparenz bestanden, die die Entwicklungsländer und China angemahnt hatten. Nach Angaben von Insidern führte dieser Mangel an Offenheit aber auch zu interessanten Paarungen.
So verankerten ausgerechnet die USA und Kanada am Tag nach der kanadischen Wahl Formulierungen zum Ende der Fossilen im Text, die weiter gingen als die Wortwahl der EU. An anderer Stelle arbeiteten Brasilien, Südafrika und Australien konstruktiv an der Reduzierung von Emissionen, die sonst eher konträre Ansichten vertreten. „Keine Beobachter heißt eben auch: Keine Lobbyisten der Öl-und Kohleindustrie im Saal“, sagte eine Expertin.
Die Verhinderung von Rückschritten
Die gute Stimmung hielt allerdings nicht im Plenum. Am Freitagabend griffen die Entwicklungsländer die Vorsitzenden scharf an, weil die Abschlußsitzung des Tages begonnen hatte, ohne dass ihre Gruppe vollständig war. Reifsnyder und Djoghlaf wehrten sich mit Verweis auf die Geschäftsordnung. Ihre Schwäche führte allerdings auch dazu, dass die Länder in informellen Gruppen teilweise die Verhandlungen selbst in die Hand nahmen – ein gutes Zeichen in einem Prozess, bei dem die Länder eifersüchtig darüber wachen, dass er „von den Staaten angetrieben“ bleibt, wie es oft heißt. „Im Frühjahr hatten wir gute Stimmung und wenig Fortschritt im Text“, sagte Reifsnyder. „Jetzt ist es umgekehrt.“
Diesen Fortschritt konnten viele Beobachter allerdings nicht ausmachen – höchstens die Verhinderung von Rückschritten. „Die Gefahr ist groß, dass einige der schwierigen Länder den Stillstand bei den Finanzen nutzen, um das Abkommen von Paris auch an anderer Stelle schwach zu halten“, befürchtet Jan Kowalzig von Oxfam. Andere hoffen darauf, dass die politische Dynamik für Klimaschutz aus der realen Welt – der Beschluss der G7 zum Ende der fossilen Energien, die Öko-Enzyklika von Papst Franziskus und die Klimadeals zwischen den USA und China – in Paris endlich auf die Verhandlungen durchschlägt.
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