Klimaschutzziel für 2030: Jetzt auch offiziell verfehlt
Zwei Regierungsgutachten zeigen, dass das Klimaziel für 2030 ohne Zusatzmaßnahmen nicht erreicht wird. Große Probleme gibt es beim Verkehr.
Doch daraus wurde nichts: Kurz vor dem Termin sagte das von Peter Altmaier (CDU) geleitete Wirtschaftsministerium die Teilnahme seines Energie-Staatssekretärs ab – „aus dringenden Termingründen“, wie es hieß. Das Umweltministerium stellte nur die Ergebnisse der eigenen vom Öko-Institut erstellten Studie vor; das Wirtschaftsministerium veröffentlichte einige Ergebnisse seiner eigenen vom Prognos-Institut erstellten Studie später schriftlich. Das gemeinsame Signal fiel damit aus.
Dabei sind die Zahlen gar nicht so schlecht: Um mindestens 55 Prozent sollen die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 sinken; erreicht werden davon, sofern alle geplanten Maßnahmen umgesetzt werden, laut Öko-Insitut 51 und laut Prognos 52 Prozent. Ohne das Klimaschutzprogramm würden den Berechnungen zufolge nur 41 Prozent erreicht.
Die einzelnen Sektoren schneiden dabei sehr unterschiedlich ab: Industrie und Energiewirtschaft erreichen ihre Ziele zumindest annähernd. Bei Gebäuden und Landwirtschaft werden sie dagegen deutlich verfehlt, im Verkehrssektor sogar dramatisch: Hier wird den Berechnungen zufolge nicht mal die Hälfte der vorgesehen CO2-Einsparung erreicht.
„In den Bereichen, wo sich die Politik bereits erfolgreich gekümmert hat, liegen wir weitgehend auf Kurs“, kommentierte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) die Ergebnisse. Im Verkehrsbereich sei dagegen noch viel zu tun. „Die neuen Zahlen geben uns hier deutliche Warnsignale und zeigen Handlungsbedarf fürs Klimakabinett.“ Wenn sie ihre Ziele nicht erreichen, müssen die Ressorts neue Maßnahmen vorlegen; so ist es im Klimaschutzgesetz festgelegt.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kündigte an, die Gutachten noch einmal gesondert auswerten zu lassen. Er räumte aber ein, es zeichne sich ab, „dass wir noch deutlich mehr Dynamik brauchen“. Für das Wirtschaftsministerium erklärte eine Sprecherin, die Zahlen zeigten, dass der Kohleausstiegspfad und das Klimaschutzpaket wirkten.
Umweltverbände nutzten die neuen Gutachten dagagen für scharfe Kritik an der Bundesregierung. Greenpeace sprach von „Dokumenten klimapolitischen Scheiterns“, Fridays for Future schrieb: „Das Klimapaket versagt komplett und bedeutet damit die Klimakapitulation dieser Regierung.“
Ökostromlücke droht
Ein weiteres Problem droht derweil beim Ökostromausbau: In seiner Berechnung geht das Öko-Institut davon aus, dass der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis 2030 wie geplant auf 65 Prozent steigt. Doch um dies Ziel tatsächlich zu erreichen, müssten die Ausbauziele für Wind- und Solaranlagen deutlich erhöht werden, warnte der Thinktank Agora Energiewende am Donnerstag.
Davon ist derzeit aber wenig zu sehen. Selbst die aktuellen, zu niedrigen Ziele werden bei der Windenergie derzeit verfehlt. Auch bei der Solarenergie droht ein Einbruch, wenn der dort geltende Deckel nicht kurzfristig aufgehoben wird. Bei den Verhandlungen dazu gibt es aber keine Fortschritte. Der jüngste Vorschlag des Wirtschaftsministeriums, auf den umstrittenen verbindlichen Mindestabstand von Windrädern zu Wohnhäusern zu verzichten, stößt in der Unionsfraktion auf Widerstand.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Deutsche und das syrische Regime
In der Tiefe